Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
mehr hat man zu tragen, man braucht sich nur noch schieben zu lassen. Lös erinnert sich an den Frieden – damals, in Bel-Abbés, nachdem er sich engagiert hatte. Da war diese tiefe Ruhe in ihm, wie ein Aufatmen war sie, nach all den Verwirrungen vorher. Und auch jetzt atmet Lös die laue Luft gierig ein, leicht ist sie, nicht schwer mehr und schwül, wie vor kurzer Zeit noch. Vor kurzer Zeit? Ein breiter Spalt trennt ihn von dem Augenblick, da Baskakoff ihn festgenommen hat.
Vor der niederen Zellentür bleiben die drei stehen. Der Chef schiebt den verrosteten Riegel zurück – er quietscht. Baskakoff schnauft, er lacht wohl im stillen, Lös kann es nicht feststellen, denn der Küchenkorporal hält den Kopf gesenkt. Aus der Zelle dringt ein muffiger Geruch, der Chef läßt seine Taschenlampe aufflammen und beleuchtet das Innere: ein rechteckiger Raum, drei Meter auf zwei, schätzt Lös, in der einen Ecke ein Betonsockel; Lös stellt sich vor diesen Block, der ihm gerade bis an die Hüften reicht, und fragt – »Darauf soll ich schlafen?« Der Chef bejaht höflich, aber er bekomme natürlich eine Matratze und mehrere Kissen, er sei Untersuchungsgefangener, und als solcher habe er das Recht, sein Bettzeug zu benutzen. Nur die Taschen müsse er leeren. Während dieser Zeit werde Baskakoff so freundlich sein, in die Administration zu laufen, um das Nötige für den Korporal zu besorgen. Also Matratze, zwei Decken, zwei Kissen, Leintücher und… ein Handtuch.
Baskakoff ist mißtrauisch, er zögert einen Augenblick, denn er merkt, daß der Chef mit dem Verhafteten allein sein will. Aber dann zuckte er die Achseln: was geht es schließlich ihn an? Und er schlurft davon, ohne sich ein einziges Mal umzublicken.
»Schnell«, sagt der Chef. Lös zögert; natürlich, das Geld darf nicht bei ihm gefunden werden. Dumm, daß er nicht daran gedacht hat, es irgendwo zu verstecken. Nun steckt es der Chef ein, und wird es wohl behalten. »Schnell«, drängt der Chef noch einmal, »das Geld! – Ich heb dir's auf! – Du wirst es brauchen können, wenn sie dich vors Kriegsgericht schicken. Weißt du, wieviel von einem guten Verteidiger abhängt? Der kann dich herausreißen, ohne weiteres, wenn er zu reden versteht.« Lös zieht die Brieftasche, der Chef reißt sie ihm aus der Hand, untersucht die Fächer, murmelt: »Zweihundert, und fünfzig und zwanzig. Ja, das wird gerade langen. Ich heb' dir das Geld auf. Du hast doch Vertrauen zu mir?« Lös bringt ein zögerndes ›ja‹ hervor, aber der Chef lacht nur. »Weißt du«, fährt er eifrig fort, »zwanzig geben wir ab, das macht sich gut, siehst du, ich tu sie wieder in das eine Fach. Den Rest behalte ich und steck ihn dir wieder zu, wenn du nach Fez transportiert wirst. Ehrenwort!« sagt er und bemüht sich, eine biedere Miene zu zeigen.
»Ja, glaubst du wirklich, daß sie mich vors Kriegsgericht stellen?« fragt Lös schüchtern. Da lacht der Chef ein leises kollerndes Lachen, das in seiner festen Brust hüpft. »Ja, glaubst du, daß du eingesperrt wirst, in diese Zelle eingesperrt wirst, weil du heute abend versucht hast, den Posten zu verlassen? Mein Lieber, du bist allzu naiv. Seit Tagen paßt man dir auf; ›man‹ – das heißt Mauriot –, er hat nämlich erfahren, daß du viel Geld ausgibst. Der Kleinen im Ksar hast du zweihundert Franken gegeben, im Kloster hast du Geld verputzt, du hast dir Bücher kommen lassen, Baguelin hat dir eine Uhr verkauft. Der Leutnant, weißt du, hat die Summen zusammengestellt, auch mit mir über die Sache gesprochen. Ich habe versucht, dich zu verteidigen, und behauptet, das Geld sei dir von deinem Vater geschickt worden… Aber das kannst du nicht beweisen und der Leutnant glaubt dir's doch nicht. Die Mandate wären durch Baguelins Hände gegangen – und der weiß von nichts. Er hat dich zwar in Schutz genommen und erzählt, du habest einmal einen rekommandierten Brief erhalten. Ja, so steht die Sache; nicht gerade günstig. Aber du hast immerhin Waffen… Die Kartoffeln! Verstehst du? Damit hältst du den Leutnant. Still jetzt. Also! Vertrauen! Ich lasse niemanden fallen, der mir einmal geholfen hat.« Baskakoff taucht an der Ecke auf, mit einer hohen Last auf dem Rücken.»Ich halte dich auf dem laufenden. Und wenn es schiefgehen sollte, so rate ich dir: mach Schluß! Verstehst du? Travaux Publics oder Cayenne hältst du nicht aus.«
Keuchend legt Baskakoff die Matratze auf den Betonblock und schnuppert, als könne er die Worte
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