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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Spielraum habe. Dir ist's doch gleich, es geht ja alles im gleichen Aufwaschen. Da – sie haben dir doch sicher dein Geld abgenommen,« Pierrard schiebt unter dem Drahtnetz eine Zwanzigfrankennote durch. »Ich hab' gestern gut einkassiert, beim Spaniolen und beim Adjutanten vom ›Bureau arabe‹ und bring's schon wieder ein, wenn eine Truppe durchzieht.« »Nimm dich in acht«, warnt Lös und versteckt das Geld unter dem schmierigen Kopfkissen, »das ist gefährlich mit dem einkassierten Geld. Wenn der Leutnant plötzlich Abrechnung verlangt, was machst du dann?« »Unbesorgt! Ich steh gut mit ihm. Aber mit dem Chef räume ich auf. Der soll nicht bei mir betteln und schön tun. Ich habe ihn heut morgen wieder fortgeschickt, als er Kaffee ohne Bon holen wollte.« Noch einmal warnt Lös: mit dem Chef müsse man sich gut stellen, das sei besser, er sei schlau und rachsüchtig und gelte viel beim Capitaine. Pierrard lacht nur, das Machtbewußtsein hat seinem Körper eine majestätische Starrheit gegeben. Er will es gern mit dem Chef aufnehmen, mit dem Leutnant im Rücken und dem Capitaine als freundlich schirmende Gottheit. »Und wenn du Wein willst, sag's nur. Weißt du, ich lasse keinen fallen, der einmal mein Freund gewesen ist.« Mit diesem Ausspruch verabschiedet sich Pierrard.
    Lös bleibt grübelnd zurück. Hätte er eindringlicher warnen sollen? Er erinnert sich der ersten Zeit in der Administration. Auch damals waren sie alle freundlich zu ihm gewesen.
    Wie langsam dieser Morgen vergeht!
    Destange kommt zurück. Er hat sich Mühe gegeben: der Tee ist stark, er hat den Saft einer Zitrone darunter gemischt. Und dann bringt er das Mittagessen: Schaffleisch in dünner Sauce, sehr zäh (die Gabel will gar nicht eindringen) und Linsen.
    Mit der Übelkeit, die in Lös aufsteigt, macht sich die Erinnerung an einen Augenblick der verflossenen Nacht breit: das Blut hat aufgehört zu fließen, die Venen haben sich von selbst geschlossen, der Tod will nicht kommen, nicht einmal eine Ohnmacht stellt sich ein, er fühlt sich verpflichtet, das Begonnene zu Ende zu führen, noch einmal zu sägen, endlich die Arterien zu treffen, deren Pochen er deutlich spürt, wenn er den Finger in die Wunde legt. Nur eine dünne Schicht kann sie von der Oberfläche trennen, aber ihm fehlt die Kraft, diese dünne Schicht zu durchschneiden. Und diese mitleidlose Erkenntnis seiner eigenen Schwäche, die ihn überfallen hat, läßt ihn auch jetzt noch so laut aufstöhnen, daß Destange mitleidig fragt, was ihm denn fehle und ob er Schmerzen habe? Destanges Augen glotzen gierig.
    Lös hat die Augen geschlossen, um den saugenden Blicken des andern zu entgehen. »Stell das Essen weg, mir wird ganz übel davon. Nur ein wenig Tee. Danke.«
    Lös schläft ein. Wie er aufwacht, hat der Posten seine Stille abgeschüttelt. Die dünne Wand, die das Krankenzimmer vom Schlafsaal der Mitrailleusensektion trennt, läßt Gespräche nur als Lautbrei durch; in seiner Unverständlichkeit wirkt er aufreizend – Lös ist überzeugt, daß drüben sein Fall verhandelt wird; er legt das Ohr an die Wand, um besser lauschen zu können. Einige Worte nehmen Form an: »Gewehr«, »Feigheit«, »Gums«, »Schilasky«, »der Alte«. – Sie sprechen nur vom Kampf.
    Destange bringt das Nachtessen. Der Teekessel ist leer. Lös kann sich nicht besinnen, wann er ihn ausgetrunken hat. »Ich werde frischen machen«, verspricht Destange und räumt auch das schmutzige Geschirr vom Mittag fort. »Nichts gegessen? Du mußt essen, sonst wirst du nie die Kraft einholen, die du verloren hast.«
    »Willst du mir nicht ein paar Eier bringen?« unterbricht ihn Lös, der vergebens versucht, die Wiederholung des Mittagessens zu essen: Suppe, in Wasser gekochtes Schaffleisch und klebriger Reis. »Im Dorf kannst du welche finden. Geld habe ich auch.«
    Destange zieht ein dummes Gesicht. »Geld?« Er spuckt in die Handflächen und reibt sie an seinen Hosen ab, ein symbolisches Händesäubern. »Übrigens, was geht's mich an? Ich bin verantwortlich für dich; aber der Major hat nichts davon gesagt, daß du kein Geld haben darfst. Wieviel Eier willst du?« »Soviel du auftreiben kannst. Sie langen dann für ein paar Tage.«
    »Gut!« Destange nickt, er müsse dem Capitaine Materne noch Borwasser bringen, weil dieser über Augenschmerzen geklagt habe. Eine gute Ausrede! Ein Spirituskocher sei auch vorhanden. Sonst brauche Lös nichts?
    – Nein. – Übrigens sei Bergeret diesen Morgen

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