Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
malte um diese Zeit an dem letzten der Porträts, die der Príncipe de la Paz bestellt hatte. Wenn Don Manuel posierte, war er besonders aufgeschlossener Stimmung. Es war wahrscheinlich, daß ihm Manuel auf seine blasiert ironische Art von dem Komplott des Großinquisitors erzählen würde, und wie es mißglückt sei. Dann wollte ihm Francisco mit seinem Vorschlag kommen.
Manuel sprach ihm denn auch von Lorenzana und der lustigen und ehrenvollen Art, wie dessen Anschlag zu seiner Kenntnis gekommen war. Er lachte, er tat, als nähme er die üble Intrige leicht und spaßhaft.
Goya stimmte in seine Heiterkeit ein. »Ein Mann wie Sie«, meinte er, »wird wohl den bösen Streich des Herrn Großinquisitor-Kardinals mit Humor vergelten.«
Manuel stand straff in seiner Pose, in Gala-Uniform, prunkend mit Orden und Bändern, der rechte Arm wies auf eine vorläufig noch undeutliche allegorische Darstellung seiner verdienstlichen Tätigkeit. Den Kopf hochgereckt, fragte er: »Wie denken Sie sich das, Francisco?« Goya, ruhig weiterarbeitend, antwortete langsam: »Der Heilige Vater ist durch den General Bonaparte in höchste Bedrängnis geraten. Sollte ihm da der spanische Hof nicht Tröster schicken? Zum Beispiel den Herrn Großinquisitor und die beiden Herren Bischöfe?« Einen Augenblick dachte Don Manuel nach, dann gab er die Pose auf und schlug dem Maler auf die Schulter. »Du bist ein Spaßvogel, Francho«, rief er, »du hast ausgezeichnete Ideen.« Und mit lärmender Offenheit brach er los: »Wir sind Freunde, du und ich, ich hab es vom ersten Augenblick an gewußt. Wir helfen einer dem andern. Wir gehören zusammen. Die andern sind alle nur Granden. Sie können zur Not mit einer Frau schlafen: aber die Weiber nehmen, sie kneten, wie man sie haben will, das können nur wir. Darum haben wir auch soviel Glück. Das Glück ist auch nur ein Weib.«
Nun war Manuel seiner Sache sicher. Guten Mutes ging er zu Carlos und María Luisa und erzählte ihnen an Hand des Schreibens von den Machinationen der tückischen Priester.
Carlos schüttelte den Kopf. »Das hätte der Lorenzana eigentlich nicht tun dürfen«, meinte er. »Wenn er sich über dich beklagen wollte, Manuel, dann hätte er sich doch an mich wenden müssen, nicht an den Papst. Hinter meinem Rücken! Du hast ganz recht. Das ist unanständig, das ist Hochverrat. Das hätte er eigentlich nicht tun dürfen.« In den Augen Doña María Luisas aber war ein böses Glitzern, und Manuel sah, daß sie froh war um die Gelegenheit, dem Großinquisitor jene Schmähschrift vergelten zu können.
»Ich denke mir’s so«, sagte Manuel. »Wir schicken ihn und seine beiden Bischöfe zum Heiligen Vater, der in seiner Bedrängnis des Rates und der Tröstung sehr bedarf.« Der König verstand nicht sogleich. Doña María Luisa aber lächelte. »Ausgezeichnet«, sagte sie, und: »Stammt die Idee von dir, Manuel«,wandte sie sich an diesen, »oder von deinem Señor Bermúdez?« – »Ich schwöre bei Unserer Jungfrau«, erwiderte entrüstet Manuel, »sie stammt nicht von Don Miguel.«
Es wurde Lorenzana und den beiden Bischöfen eröffnet, sie sollten sich im Auftrag des Königs zum Heiligen Vater begeben. Da Bonaparte willens sei, den Kirchenstaat zur Republik zu erklären, sollten sie ihm die Insel Mallorca als Zuflucht anbieten und ihm, wie immer er sich entscheide, die nächsten Jahre hindurch tröstende Gesellschaft leisten.
Als der Kardinal-Großinqui-
Sitor Lorenzana von den
Majestäten Abschied nahm, um
In sein römisches Exil zu
Fahren, sagte ihm die Königin,
Und sie sprach besonders liebens-
Würdig: »Überbringen Sie dem
Heil’gen Vater meinen tiefehr-
Fürcht’gen Gruß. Und denken Sie auf
Ihrer Fahrt nach Rom darüber
Nach, ob nicht ein Mann wie Sie, der
Seines Königs Gattin wüst ver-
Leumdet, mit daran die Schuld trägt,
Daß der wilde Geist des Aufruhrs
Heute überall in Europa
Weht. Und somit Gott befohlen,
Hochehrwürd’ger Herr, und Wind da-
Hinter.«
14
Die Verbindung mit Cayetana hatte Francisco im Anfang ein Gefühl der Zufriedenheit gegeben, der Stetigkeit, wie er es früher nie gehabt hatte. Dann aber, immer häufiger, inmitten des Genusses und der Erfüllung, überkam ihn Rastlosigkeit.Wiewohl er überzeugt war, daß sie ihn liebte, ließ ihn ihre Unberechenbarkeit nicht zur Ruhe kommen. Niemals konnte man voraussehen, wie sie ein Begebnis, einen Menschen, ein Bild aufnehmen werde. Manchmal war ihr wichtig, was ihm läppisch schien;
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