Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
dem fanatischen Jubel des ganzen Landes.
    »Ich danke Ihnen sehr, Don Manuel«, sagte er. »Ich bitte um einen Tag Bedenkzeit, ob ich für ein solches Abenteuer der rechte Mann bin.«
    Er sprach mit Lucía. Setzte ihr auseinander, seine Neigung und seine Philosophie gebiete ihm, die angetragene Sendung zu übernehmen, aber er könne es nicht über sich bringen, sich selber für immer aus Spanien und aus ihrer Nähe zu verbannen. Lucía war nachdenklicher als sonst. »Hat sich nicht«, redete sie ihm zu, »Olavide seinerzeit ein neues Spanien in Paris geschaffen? Sie selber haben mir davon erzählt. Warum sollten Sie und Olavide jetzt nicht ein Gleiches tun können?« Und da er schwieg, fuhr sie fort: »Ich habe Madame Tallien gut gekannt, als sie noch hier war und Teresa Cabarrús hieß; ich darf sagen, ich war mit ihr befreundet. Ich habe große Lust sie wiederzusehen. Ich höre, sie hat Einfluß in Paris. Glauben Sie nicht, Diego, ich könnte in Paris der Sache Spaniens nützlich sein?«
    Don Diego, der Politiker, der sanfte, geistreiche Zyniker, errötete wie ein Junge, dem ein Mädchen zum ersten Mal ja sagt. »Sie könnten –? Sie wollten –?« war alles, was er entgegnete. Lucía aber fragte sachlich: »Wie lange, denken Sie, wird es dauern, bis Sie den ersten französischen Ort erreicht haben?« Der Abate überlegte kurz. »Zwei Wochen«, antworteteer. »Ja, in zwei Wochen werden wir in Cerbère sein.« – »Falls ich auf Reisen gehen sollte«, erwog Lucía, »brauche ich ein wenig Vorbereitung.« Sie schaute ihn an. »Legen Sie, bitte, bevor Sie nach Paris weiterfahren, eine Woche Rast in Cerbère ein«, sagte sie.
    Der schwere Mann war jetzt gar nicht mehr elegant und witzig, er schnaufte knabenhaft glücklich.
    »Wenn sich das erfüllen sollte«,
    Sagte er, »wenn in Cerbère,
    Auf französ’schem Boden und in
    Sicherheit, ich auf die Pyre-
    Näen sollte schauen können,
    Sie, Doña Lucía, zu der
    Rechten Seite, zu der linken
    Den geretteten Don Pablo
    Olavide, dann, wahrhaftig,
    Glaubt’ ich wiederum an Gott.«

12
    Etwa drei Wochen später suchte Miguel Goya auf. »Wir haben Ursache, uns zu freuen«, berichtete er. »Pablo Olavide ist in Sicherheit. Don Diego hat ihn über die Grenze gebracht.«
    So versponnen in sich und sein Glück Goya war, die Rettung des Olavide rührte ihn auf. Und beinahe ebenso die Flucht des Abate. Es war ihm klar, daß dieser nicht so bald, vielleicht niemals mehr werde zurückkehren können. Er erinnerte sich, wie er selber, ein ganz junger Mensch, hatte fliehen müssen, damals, nachdem man jenen Toten gefunden hatte. Deutlich, als wäre es heute, sah er die weiße Küste von Cádiz verschwinden, spürte er den scharfen Schmerz, daß er nun sein Spanien hinter sich lassen sollte, wer weiß, wie lange.Dabei war er jung gewesen, er entrann höchster Gefahr, blau und zauberhaft lag die Ferne vor ihm. Don Diego aber war nicht mehr jung, er ging aus einem Dasein, das er liebte, ins Ungewisse. Wenn er, Francisco, heute fliehen müßte, Schrecklicheres könnte er sich nicht vorstellen. Madrid zurücklassen, Saragossa, den Hof, den Stierzirkus, Josefa und die Kinder, seinen Ruhm, die Majas, sein Haus, seine Carroza, und sie, Cayetana, es war nicht auszudenken, er brächte es nicht über sich.
    Miguel saß da in seiner Lieblingshaltung, ein Bein übers andere geschlagen, das weiße, leichtgepuderte, klarstirnige, freundliche Gesicht sehr ruhig. Trotzdem glaubte Goya, als er ihn jetzt, aus seinen Erinnerungen zurückkehrend, mit seinen genauen Augen anschaute, eine winzige, kaum wahrnehmbare Unruhe in seinem Gesicht zu bemerken.
    Graf Cabarrús, erzählte bemüht beiläufig Don Miguel weiter, habe seit langem darauf gedrängt, Doña Lucía möge seine Tochter, ihre alte Freundin, Madame Tallien, besuchen, und da nun auch Olavide und der Abate in Paris seien, habe er die Einladung angenommen. Im Verein mit den beiden könne Doña Lucía höchstwahrscheinlich bei ihrer einflußreichen Freundin politisch mancherlei erreichen.
    Goya war verblüfft. Dann durchschaute er die Zusammenhänge. Er bedauerte den Freund. Er hatte Lucía aufgelesen, ein kleines, schillerndes Stück Schmutz, und eine der ersten Frauen der Stadt aus ihr gemacht. Armer Miguel. Und wie ritterlich er für sie eintrat und sie deckte.
    Übrigens hätte Francisco ihr eine solche Passion nicht zugetraut. Ja, wenn sie einem Gecken nachgelaufen wäre, dem Marqués de San Adrián oder sonst einem aristokratischen Stutzer.

Weitere Kostenlose Bücher