Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
manchmal blieb sie höflich unbeteiligt vor Menschen und Geschehnissen, die ihn bewegten.
Er flüchtete in die Arbeit. Er hatte viele Aufträge, das Werk ging ihm leicht von der Hand, die Besteller waren zufrieden, Geld kam ein.
Er malte die Condesa de Montijo mit ihren vier Töchtern. Das Bild geriet steif, es war, als wäre es vor fünfzehn Jahren entstanden. Agustín konnte sich nicht enthalten anzumerken: »Wenn du Volk malst, Gruppen von Majos und Majas, dann ist deine Komposition natürlich. Sie wird hölzern, wenn es um aristokratische Familien geht.« Francisco schob böse die Unterlippe vor. Dann lachte er. »Endlich merk ich wieder was vom alten Agustín«, sagte er, übermalte das Bild mit zwei dicken Strichen, daß es unbrauchbar war, und fing von vorne an.
Die Herzogin von Osuna bat Goya um ein paar Bilder phantastischen Inhalts für ihren Landsitz, die Alameda. Er war überlastet mit Arbeit, aber die Osuna war eine frühe Freundin, sie hatte ihm Aufträge und Empfehlungen gegeben, als er noch sehr gering war, er nahm an. Cayetana, mit einem kleinen, unwilligen Erstaunen, meinte: »Sie erweisen sich als treuer Freund, Don Francisco.«
Was Goya für die Osuna malte, waren Zauber- und Hexenszenen. Da war eine Hexenküche, in welcher gerade ein Adept in ein Tier verwandelt wurde, Hundskopf und Schwanz sind schon da. Da waren Hexen, fliegend, tanzend, mit nacktem Oberkörper und spitzen Hüten, während unten verschleiertes Gesindel herumtappt. Auf einem dritten Bilde war der Teufel zu sehen in Gestalt eines aufgerichteten, riesigen Bockes mit zierlich gewaltigen Hörnern, umringt, verehrt von Hexen. Alles war leicht und locker, phantastisch, anregend.
Agustín beschaute die Bilder. »Sie sind virtuos gemalt«, sagte er. »Aber?« fragte Goya. »Früher«, antwortete Agustín,vorsichtig die Worte suchend, »wenn du was Neues gefunden hattest, dann fing es bald an, dich zu langweilen, und du hast wieder was Neues gesucht, für jeden neuen Einfall was Neues. Das da« – und er wies mit wegwerfender Geste auf die Hexenbilder –, »das ist das gleiche wie in den Bildern um die Inquisition, nur eben ohne Inhalt, leer.« – »Danke«, sagte Francisco.
Die Alba stand vor den Bildern. »Hübsch«, sagte sie. »Das gönne ich der Osuna.« Goya ärgerte sich. »Findest du die Bilder schlecht?« fragte er. Sie fragte zurück: »Glaubst du an Hexen?« – »Das hast du mich schon einmal gefragt«, antwortete er unzufrieden. Sie fuhr fort: »Damals hast du ja gesagt. Und darum finde ich diese Bilder – hübsch.«
Ihn freuten und verdrossen ihre Worte. Manchmal, häufig, verstand sie, was er malte, tiefer als irgendwer sonst, dann wieder kehrte sie sich gleichgültig von einem Bilde ab, von dem er geglaubt hatte, es müsse sie anrühren. Sagte sie ja, dann sagte sie es sogleich und ohne Vorbehalt; ließ sie etwas kalt, dann für immer. Manchmal, gegen seine Gewohnheit, versuchte er ihr zu erklären, warum er etwas so und nicht anders gemacht habe, aber sie hörte nicht recht zu, sie langweilte sich, er gab es auf.
Auch sie zu malen, gab er auf. Zwar hatten seine Porträts der Herzogin von Alba ihren und aller Welt Beifall. Doch nicht den seinen. Er fand, sie gäben eine unvollständige Wahrheit, also keine. Sie drängte in ihn, sie als Maja zu malen, als eine richtige Maja, keine kostümierte. Aber so sah er sie nicht, so malte er sie nicht.
Insofern war sie eine Maja, als sie ihre Freundschaft mit ihm unbekümmert zur Schau stellte. Im Theater, bei Stierkämpfen, auf der Promenade im Prado, überall zeigte sie sich mit ihm. Zu Anfang war er stolz darauf, allmählich aber wurde es ihm leid, daß seine Passion aller Welt ein Schauspiel bot; auch fürchtete er Ungelegenheiten. Sie, wenn er eine leise Andeutung solcher Art machte, zog die Brauen noch höher. Sie war die Alba, kein Gerede konnte an sie heran.
Er wurde zu allen Gesellschaften eingeladen, die im Palaisdes Herzogs und in dem der alten Marquesa de Villabranca stattfanden. Auch nicht mit der leisesten Miene verrieten die beiden, ob sie Bescheid wußten über seine Beziehungen zu Cayetana. Der Herzog war Francisco fremd, er spürte für ihn etwas wie mitleidige Geringschätzung. Dann wieder sah er, wie des Mannes Gesicht, wenn es um Musik ging, sich belebte. Das rührte ihn an und imponierte ihm; die meisten Granden hatten nichts als ihren Hochmut.
Für die alte Marquesa spürte Goya Respekt und Sympathie. Sie verstand sich auf die Menschen; »elle
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