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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Augen mustern die alternde, häßliche, geschmückte María Luisa des Bildes. Vieles an dieser gemalten Frau mag vielen nicht gefallen: ihr gefällt es, sie sagt ja zu dieser Frau. Die Frau hat ein häßliches Gesicht, aber es ist einmalig, es zwingt einen hinzuschauen, es bleibt einem im Gedächtnis. Ja, so ist sie, María Luisa von Bourbon, Prinzessin von Parma, Königin aller spanischen Reiche, Königin beider Indien, Tochter eines Großherzogs, Gemahlin eines Königs, Mutter künftiger Könige und Königinnen, gewillt und fähig, dem Leben abzugewinnen, was sich ihm abgewinnen läßt, ohne Furcht und ohne Reue, bis man sie hinaustragen wird in den Escorial und hinunter in das Panteón de los Reyes. Wenn sie heute sterben müßte, dürfte sie sich sagen, sie habe aus ihrem Leben gemacht, was sie daraus machen wollte. Und um sie stehen ihre Kinder. Mit Wohlgefallen sieht sie auf den netten, kleinen Infanten, den die gemalte Königin an der Hand hält, und auf die hübsche, kleine Infantin, der sie den Arm um die Schulter legt. Sie hat die Kinder, die sie sich wünscht, lebendige, sehr lebensfähige Kinder, nicht nur von dem dicken, dummen Mann, den sie brauchte, damit ihr und den Kindern der zukommende Rang für immer gewährleistet sei, sondern auch von jenem, den sie mehr als jeden andern begehrt hat, und wenn nicht die ganze Welt zusammenstürzt, dann werden auch diese Kinder einmal auf Thronen Europas sitzen. Ja, es sind schöne, gesunde, gescheite Kinder, ihr Freund hat ihnen seine Wohlgestalt, sie ihnen den eigenen Verstand vererbt. Es ist ein gutes, wahres Bild, nicht süßlich, nicht geschmeichelt, sondern hart und stolz. Und es ist nur schade, daß nicht auch ihr Manuel mit auf dem Bild ist.
    Das Schweigen dauerte lange. Goya begann unruhig zu werden. Grimmig schaute er hinüber zu Miguel. Sollte der Unheil herunterbeschworen haben mit seiner grämlichen, sauertöpfischen Voraussagung? Auch Josefa hat Bedenken gehabt. Sollten wirklich die Majestäten finden, er habe sie zu unfreundlich gemalt? Dabei hat er keinen unehrerbietigenGedanken gedacht, er hat sogar immer etwas wie Achtung gehabt für diesen wohlwollenden König und Sympathie für diese lebenslustige Frau, die eine Königin ist und gleichzeitig eine Maja. Er hat die Wahrheit gemalt. So hat er’s bisher immer gehalten, und sie hat allen gefallen, seine Wahrheit, den Majos und den Granden und sogar der Inquisition. Und er hat damit gerechnet, auf dieses Bild hin Erster Maler des Königs zu werden, und soll das auch dieses Mal wieder in die Binsen gehen? Warum machen sie nicht endlich den Mund auf, der Dummkopf und die Hure?
    Aber da tat Doña María Luisa den Mund auf. »Das haben Sie gut gemacht, Don Francisco«, sagte sie. »Das ist ein treues, wahres Bild, geeignet, der Nachwelt zu zeigen, wie wir Bourbonen sind.« Und sogleich fiel lärmend Don Carlos ein: »Ein ausgezeichnetes Bild. Ein Familienbild, genau wie Wir es gewünscht haben. Wie groß ist es übrigens, wie hoch und wie breit?« Goya gab Auskunft: »2,80 Meter hoch und 3,36 Meter breit.« – »Ein in jeder Hinsicht großes Bild«, erklärte befriedigt Don Carlos, und schelmisch, als wäre Don Francisco einer seiner zwölf Ersten Granden, sagte er: »Cubríos, bedecken Sie sich, Goya.«
    Alle jetzt gratulierten Francisco überschwenglich. Don Miguel drückte ihm stark die Hand, das Gesicht ungewöhnlich bewegt. Er hatte angstvoll darauf gewartet, was der König äußern werde. Er freute sich herzlich, daß dem Freunde die bedenkliche Sache so gut hinausgegangen war, und fand sich überdies selber bestätigt: es war nicht verwunderlich, daß dem barbarischen König das barbarische Werk zusagte.
    Der Príncipe de la Paz mittlerweile flüsterte dem König ins Ohr. Der erwiderte laut: »Eine leise Andeutung können wir ja machen.« Und schallend, mit breitem, scherzhaftem Lächeln, wandte er sich an Goya: »In ein paar Tagen, mein Lieber, werden Sie eine angenehme Überraschung erleben.« Manuel aber bekräftigte: »Ja, Francho, jetzt haben wir es geschafft.«
    Seit dem Tode Bayeus hatte sich Francisco nach der Ernennung zum Ersten Maler gesehnt, sie war die große Bestätigung,sie machte ihn auch dem Titel nach zu dem, was er war. Vor zwei Minuten noch hatte er daran gezweifelt, daß es so kommen werde. Nun war die Erfüllung da. Nichts blieb ihm zu wünschen. Er spürte Können, Wachsen und Vollendung, sein Werk war geglückt, Agustín erkannte es, die Kenner erkannten es, und die

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