Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Augenblick war Francisco versucht. Dann dachte er daran, wie sie ihn hatte Menuett tanzen lassen wollen vor dem Herzog und vor Peral, er sah vor sich das liebenswürdig freche Gesicht San Adriáns, und sollte er sich ihm von Cayetana vorführen lassen? Er zögerte. Da wandte sie sich schon an San Adrián: »Oder Sie, Don Juan?« Der Marqués, auf seine stutzerhafte Art, erwiderte sogleich: »Nichts lieber als das, Herzogin. Aber in diesem Kostüm?« – »Die Hosen gehenan«, sagte sachkundig Cayetana, »und eine Jacke wird Ihnen jemand leihen. Machen Sie sich zurecht, während ich mich umziehe.«
Sie kam zurück und trug jenes Kostüm, in dem sie sich von Goya hatte malen lassen, das hemdhosenartige Gewand aus dünnem, weißem Stoff, der den Körper mehr enthüllte als verbarg, darüber den spielerischen, gelben Bolero mit den schillernd schwarzen Metallplättchen und dem breiten, rosafarbenen Seidengürtel. So tanzte sie mit San Adrián. Es war nicht das rechte Kostüm, weder das ihre noch das seine, es war auch nicht der richtige Fandango, den sie tanzten, die Zofe Fruela und der Reitknecht Vicente tanzten besser, und schon gar nicht durfte man denken an Sevilla oder an Cádiz, geschweige denn an die Serafina. Immerhin, es war das nackte, eindeutige Schauspiel des Fandangos, und es lag etwas tief Ungehöriges, ja Unzüchtiges darin, daß die Herzogin von Alba und der Präsident des Rates von Indien den Bauern, Zofen, Kutschern von Sanlúcar dieses Schauspiel vorführten, Brunst, Verlangen, Scheu, Erfüllung. Sie hätte ebensogut, spürte Goya, alle diese Leute in ihr Ankleidezimmer führen, den Knopf drücken und ihnen die Doña Desnuda zeigen können. Was ihn aber am meisten aufbrachte, war, daß die beiden, die da tanzten, den Majo und die Maja nur spielten, es nicht waren. Es war ein freches, dummes, frivoles Spiel, und so durfte man nicht spielen, es war eine Verhöhnung alles wahren Españolismo. Dumpfer Groll kam über Goya, Groll über Cayetana und Don Juan, über alle die Granden und ihre Frauen, unter denen er lebte, diese Zierbengel und Marionetten. Gut, er selber hatte hingegeben mitgetan in diesem dummen verlogenen Spiel, zu der Zeit, da er die Gobelins gemacht hatte. Aber seither hatte er tiefer hineingeschaut in Menschen und Dinge, tiefer gelebt und gefühlt, und er hatte geglaubt, auch Cayetana sei mehr als eine von jenen. Er hatte geglaubt, das zwischen ihnen beiden sei kein Spiel, sei Wahrheit, sei Leidenschaft, Brunst, Liebe, der wahre Fandango. Aber sie hatte gelogen, alle die Zeit her hatte sie gelogen, under hatte sich mißbrauchen lassen, ein Pelele, ein Hampelmann, von dieser Vornehmen.
Die Lakaien und Zofen, die Bauern, Läufer, Küchenmägde, Stallburschen hatten einen großen Abend. Sie spürten, wie Cayetana sich mühte, zu ihnen zu gehören, und sie wußten das zu schätzen, aber sie spürten auch, wie es ihr mißlang, und sie fühlten sich ihr überlegen. Sie traten den Boden, klatschten in die Hände, schrien Olé, und ohne daß sie es in Worte oder klare Gedanken gefaßt hätten, dünkten sie sich besser als die da vorne, und wenn die Zofe Fruela heute nacht mit dem Reitknecht Vicente schlafen geht, wird das besser sein, natürlicher, spanischer, mehr in der Ordnung, als wenn die Vornehme mit diesem Gecken schlafen wird oder mit ihrem Maler.
Die Dueña konnte das Schauspiel nicht ertragen. Sie liebte ihre Cayetana, Cayetana war der Inhalt ihres Lebens, aber nun hatte ihr Lämmchen sich behexen lassen von dem Maler. Mit Zorn und Gram sah sie, wie diese erste Dame des Reiches, die Nachkommin des großen Feldmarschalls, sich so erniedrigte vor der Canaille, vor der Chusma, dem Pöbel.
Peral saß und schaute. Er klatschte nicht, er schrie nicht Olé. Er hatte dergleichen Ausbrüche an Cayetana oft erlebt, nicht ganz so grell vielleicht, aber doch nicht viel anders. Er schaute auf Goya, sah, wie es in dessen Gesicht arbeitete, er spürte Genugtuung, er spürte Bedauern.
Cayetana und San Adrián erhitzten sich. Die Musik wurde feuriger, die Zurufe lauter, sie tanzten, sie arbeiteten sich ab. Müh du dich nur ab, dachte es in Goya, zu einer Maja bringst du es doch nicht. Du hast ja auch keine Ahnung von einem Fandango. Du willst dir nur die Nacht würzen, dir einheizen, bevor du ins Bett gehst mit diesem traurigen Hanswurst, diesem Stutzer und Gecken. Er ging weg, bevor der Tanz zu Ende war.
Auch diese Nacht schlief er schlecht. Am andern Morgen erwartete sie wohl, er werde sie vor
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