Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
schloß er: »Ich denke, es wäre an der Zeit, Don Gaspar zurückzurufen.«
Der ruhige Agustín stand auf, erregt. Goya atmete stark durch die flache Nase, Unbehagen über dem ganzen Gesicht.
Es war nämlich Don Gaspar Melchor de Jovellanos der angesehenste liberale Staatsmann und Schriftsteller des Landes, allgemein nannte man ihn den »spanischen Voltaire«. Als Minister des vorigen Königs hatte er eine Menge wohltätiger Reformen durchgesetzt. Dem Vierten Carlos indes und Don Manuel war der strenge, stets fordernde Mann bald unbequem geworden, er hatte die Krone in immer neue Zwistigkeiten mit der Inquisition und dem reaktionären Hochadel gebracht, und der Ausbruch der Französischen Revolution hatte willkommenen Vorwand gegeben, den Führer der Liberalen, den Umstürzler, beiseite zu schieben; man hatte ihn in seine fernen heimatlichen Berge verbannt und ihm die Veröffentlichung weiterer Werke untersagt. Es war keine angenehme Aufgabe, Don Manuel um die Begnadigung dieses Mannes zu bitten.
Francisco schwieg. Agustín ging auf und ab, unmanierlich, erregt, stakigen Schrittes. Doña Lucía, mit ihrem Fächer spielend, schaute neugierig aus ihren schleierigen Augen auf Goyas verdrossenes Gesicht. »Wieso brauchst du für eine solche Anregung mich, Miguel?« fragte Francisco schließlich.»Warum trittst du nicht selber für Jovellanos ein?« – »Von der Stunde an«, erwiderte freundlich gelassen Don Miguel, »da mein Herzog die Regierung übernahm, war ich entschlossen, die Rehabilitierung meiner liberalen Lehrer und Freunde zu verlangen. Aber Don Manuel weiß natürlich wie jedermann, wie sehr ich Don Gaspar verpflichtet bin, daß ich ihm meine ganze Karriere verdanke und wohl auch meine Philosophie. Du, Francisco, bist unverdächtig, du giltst als politisch neutral und keinesfalls als Parteigänger Don Gaspars, wiewohl er, wenn ich mich recht erinnere, auch für dich einiges getan hat. Es wäre ohne Zweifel wirksam, wenn der erste Anstoß von dir käme. Ich werde dann nachdrücken, und wenn wir erst Jovellanos wieder hier haben, werde ich auch die Rehabilitierung des Grafen Cabarrús und der andern erwirken.«
Francisco strich sich verdrossen das dichte Haar weiter vors Ohr. Der Hinweis auf die Dienste, welche ihm Jovellanos erwiesen hatte, ärgerte ihn. Es war richtig, Jovellanos hatte ihm, als er unbekannt und bettelarm nach Madrid kam, einen großen Porträtauftrag gegeben und wirksame Empfehlungen. Doch im Grunde war ihm der unerbittlich strenge Mann fremd geblieben, er verspürte vor ihm die gleiche frostige Bewunderung wie vor dem Maler David, er verstand es, daß der leichtherzige Don Manuel den grimmigen Jovellanos nicht leiden mochte, der immer als ein lebendiger Vorwurf herumging. Nun also forderte der tugendhafte Miguel, daß er, Francisco, sich großherzig und dankbar zeige. »Gute Taten«, dachte er eine alte Volksweisheit, »machen sich gewöhnlich erst im Himmel bezahlt, schlechte auf Erden.«
Don Miguel redete ihm zu: »Gerade jetzt, da Don Manuel dem Frieden mit Frankreich zusteuert, ist eine solche Anregung aussichtsreich.«
Vermutlich stimmte das. Trotzdem blieb Miguels Bitte eine Zumutung, und Goyas unbeherrschtes Gesicht zeigte deutlich sein Widerstreben. Sein Aufstieg war langsam gewesen, er hatte ihn sich erkämpfen müssen durch Leistung,Zähigkeit, List und Vorsicht. Jetzt sollte er das Erreichte gefährden dadurch, daß er sich in Staatsgeschäfte mischte. »Schließlich bist du der Politiker«, sagte er unmutig, »ich bin Maler.« – »Begreife doch, Francisco«, erklärte ihm nochmals geduldig Señor Bermúdez, »daß in diesem Fall du der bessere Fürsprech bist, eben weil du keine politischen Ambitionen hast.«
Doña Lucía schaute Francisco noch immer an, unverwandt. Den Fächer hielt sie jetzt fast geschlossen, der Brust zugekehrt, in der Sprache der Majas bedeutete das spöttische Ablehnung, und das Lächeln um ihre langen Lippen hatte sich vertieft. Auch Agustín starrte auf Goya, gespannt, geradezu höhnisch, und dieser wußte, daß auch der treue Freund sein Zögern mißbilligte. Es war niederträchtig von Miguel, daß er ihm seinen peinlichen Vorschlag in Gegenwart Doña Lucías und Don Agustíns machte.
»Gut denn«, sagte er verdrossen,
Schwunglos, »gut, ich werd es machen,
Und es möge Unsre Jungfrau
Von Atocha mich bewahren,
Daß es nicht zum Bösen ausgeh.«
Und er schaute nach dem Holzbild,
Sich bekreuzend.
Doch Lucía
Sagte lächelnd zu dem
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