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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
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Unsittliches, und der König wie die Menge waren leider blind vor den Subtilitäten des Lasters und der Gottlosigkeit.
    Ja, die Leute von Madrid hatten ihre Freude an den Fresken. Die Majos aus den Schenken, Goyas Freunde, die Kleinbauern und die Wäscherinnen des Manzanares-Tales hatten sie als die ersten gesehen, sie verbreiteten ihren Ruhm, und nun kam alles Volk von Madrid, um sich das Wunder des beliebten Heiligen zu betrachten. Sie fühlten sich eins mit denen an der Balustrade; genauso hätten sie selber sich benommen, wenn sie Zeugen des Wunders gewesen wären. So liebten sie ihre Religion, lebendig, erregend, schauhaft, so wie die an der Balustrade spürten sie bei den großen Prozessionen und Autodafés, durchaus eines waren sie mit dem lustigen, farbigen Gewimmel, mit welchem ihr Maler die Kirche erfüllt hatte. Sie selber hatte er gemalt, und sie dankten es ihm.
    An einem der nächsten Tage, um die Mittagsstunde, da die Florida wegen der Hitze ohne Besucher war, ging Goya hin, um sich die vollendeten Fresken ungestört anzusehen. Er stellte sich in einen der dunklen Winkel; von hier aus hatte er die beste Sicht auf den Teil des Gemäldes, den er betrachten wollte.
    Eine Alte betrat die Kirche, ohne ihn zu bemerken. Sie beschautedie Fresken, legte den Kopf weit zurück, um sich das Wunder in der Kuppel anzusehen, nickte beifällig mit dem Kopf, schlurfte herum voll fröhlicher Andacht, schaute hier, schaute dort. Schließlich trat sie wieder in die Mitte und verneigte sich nach allen Seiten, sehr tief. Es war aber der Heilige ihr zu Häupten, so daß nicht wohl er es sein konnte, vor dem sie sich bückte, sondern es mußten die lustigen Engelinnen sein und das gemeine Volk der Zuschauer, dem sie ihre Verehrung bezeigte.
    Goya war erstaunt. »Was tust du,
    Mutter?« fragte er, »und weshalb
    Tust du’s?« Doch er konnte seiner
    Stimme Umfang nicht abschätzen,
    Und sie füllte offenbar gleich
    Donnerhall die Kirche und er-
    Schreckte tief die Alte. Um sich
    Schaute sie und sah den fremden
    Herrn. »Was tust du, Mutter?« wieder-
    Holte er. »Warum verbeugst du
    Dich vor dem gemalten Volk, vor
    Dem Gesindel, dem gemalten?«
    Fragt’ er lächelnd. Sie indes – er
    Las die Worte ihr vom Mund ab –
    Sagte ernsthaft: »Wenn man so was
    Schönes sieht, dann muß man sich ver-
    Beugen.«

17
    Solange in Paris das Direktorium am Ruder gewesen war, hatte die spanische Regierung die Erledigung der leidigen portugiesischen Frage immer wieder hinausschieben können. Nun aber war Napoleon Bonaparte Erster Konsul, und er war nicht der Mann, Ausflüchte und Vertröstungen hinzunehmen.Er verlangte in bündiger Form, daß der Infant Manuel sogleich mittels eines befristeten Ultimatums Portugal zwinge, die Beziehungen zu Großbritannien abzubrechen: wenn sich Portugal weigern sollte, dann habe eine Armee der Alliierten, spanische und französische Truppen, Lissabon zu nehmen. Um seine Forderung zu verstärken, ließ Napoleon ein französisches Korps unter dem Kommando des Generals Leclerc an der spanischen Grenze aufmarschieren und gab Leclerc Order, binnen zehn Tagen, was immer man in der Zwischenzeit in Aranjuez unternommen oder nicht unternommen habe, sich und seine Truppen dem König Carlos auf spanischem Boden zur Unterstützung des portugiesischen Unternehmens zur Verfügung zu stellen.
    Vor dem schmollenden, klagenden Manuel erschien der Botschafter Lucien Bonaparte. Setzte auseinander, er begreife, wie schwer es den Katholischen Majestäten falle, gegen das verwandte portugiesische Königshaus vorzugehen. Er habe aber dem Ersten Minister ein Projekt zu unterbreiten, das vorläufig freilich nur eine Blase seines eigenen Gehirns sei, um das aber sein Bruder Napoleon wisse und das vermutlich der Königin den harten Entschluß eines kriegerischen Vorgehens gegen ihre Tochter in Lissabon leichter machen werde. Es habe nämlich der Erste Konsul von seiner Gemahlin Josephine keinen Erben zu erwarten, und er werde sich in absehbarer Zeit scheiden lassen, um eine neue Ehe einzugehen. Er, Lucien, habe mit Entzücken die Reize der Infantin Doña Isabel wahrgenommen, die zwar noch ein Kind sei, aber doch wohl schon in kurzer Zeit verlobt werden könne; er habe seinem Bruder, dem Ersten Konsul, eine Andeutung in diesem Sinne gemacht, und Napoleon habe sie mit hohem Interesse aufgenommen.
    Doña María Luisas jüngste Tochter, die Infantin Isabel, war – die Ähnlichkeit bewies es – ein Kind von ihm, von Manuel, und für

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