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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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er hätte ihr die Blätter nicht zeigen dürfen. Idioma Universal, ging es ihm durch den Kopf. Der junge Quintana war im Irrtum. Er lächelte. »Worüber lächelst du?« fragte sie. »Über das, was ich da gemacht habe«, antwortete er, schichtete die Caprichos zusammen und legte sie zurück in die Truhe.
    Den Tag darauf machte er eine neue Zeichnung. Er zeichnete einen Mann und eine Frau, aneinander und an einen Baumstamm gebunden, verzweifelt bemüht, sich voneinander zu lösen; zu ihren Häupten aber war ein ungeheurer Nachtkauz, bebrillt, mit ausgebreiteten Flügeln, und mit dem einen Fuß krallte er sich in den Baumstumpf, mit dem andern ins Haar der Frau. Und Jovellanos und Quintana werden wohl die riesige Nachteule mit der Brille für die Kirche und ihre Gesetze halten, die über die heilige Unlöslichkeit der Ehe wachen. Und Manuel wird die Eule für das Verhängnis halten, welches Miguel an Lucía bindet, und Miguel wird glauben, die Eule stelle die Bindung Manuels an Pepa dar; er aber wußte, daß die Zeichnung alles das darstellte und dazu Cayetanas und seine unlösliche Verknüpfung.
    Ein paar Tage später sprach überraschend Doktor Peral in der Quinta del Sordo vor. Goya, mißtrauisch von Natur, mißtrauischer seit seiner Taubheit, sagte sich sogleich, Peral komme im Auftrag Cayetanas. Das also war die Wirkung seiner neuen Kunst! Für eine ganz kurze Weile spürte er die schwarze Welle von neuem heranrollen. Dann nahm er Cayetanas Verhalten spaßhaft. Sie hatte ja nicht verheimlicht, wie sie über die Blätter dachte, und wenn sie sich selber für Pepa hielt, warum sollte sie ihn nicht für einen Narren nehmen?
    »Gestehen Sie’s nur, Doktor«, sagte er, krampfhaft munter. »Sie kommen im Auftrag Doña Cayetanas. Sie sollen sich einmal nach meinem Befinden umschauen.« Peral, mit dergleichen Munterkeit, antwortete: »Ja und nein, Don Francisco. Gewiß, meine Visite ist angeregt von Doña Cayetana, aber ich komme nicht zu meinem früheren Patienten, ich komme zu dem Maler Goya. Man hat so lange kein neues Werk von Ihnen gesehen. Nun erzählt mir die Frau Herzogin, Sie hätten in der letzten Zeit eine Menge geschaffen, Zeichnungen, Radierungen. Sie wissen, wie tief ich Sie bewundere. Ich wäre froh und stolz, wenn ich etwas von Ihrem neuen Werk sehen dürfte.«
    »Seien Sie ehrlich, Don Joaquín«, antwortete Francisco, »Cayetana hat Ihnen gesagt, ich schließe mich ein und mache verrücktes Zeug. Sie hat Ihnen gesagt«, fuhr er fort, nun doch plötzlich in Zorn, »ich sei wieder verrückt geworden, tiefsinnig, verschroben, übergeschnappt«, er sprach immer grimmiger, »irrsinnig, geisteskrank, toll, tobsüchtig, närrisch, wahnsinnig!« Jetzt schrie er. »Sie haben ja dafür viele wissenschaftliche Bezeichnungen, Klassifikationen, Ordnungen, Rubriken.« Ich muß an mich halten, dachte er, sonst sagt er ihr mit Recht, ich bin verrückt.
    Doktor Peral, sehr ruhig, erwiderte: »Doña Cayetana fand Ihre Zeichnungen merkwürdig. Aber ich habe während unserer italienischen Reise und auch schon vorher die Erfahrung gemacht, daß das Kunsturteil der Frau Herzogin willkürlich ist.« – »Ja«, sagte Francisco, »die Hexen haben ihre eigene Kunsttheorie.« Peral, als hätte er das nicht gehört, fuhr fort: »Auch wissen Sie ja selbst, gegen wie viele Vorurteile ein Meister zu kämpfen hat, der etwas Neues hinstellt. Es widerstrebt mir, in Sie zu dringen. Aber halten Sie es, bitte, nicht für dumme Neugier und auch nicht für ärztliches Interesse, wenn ich gespannt bin auf das, was Sie gemacht haben.«
    Nach Cayetanas törichtem Geschwätz und Gehabe lockte es Francisco, die Meinung dieses maßvollen, kunstverständigen Herrn zu hören. Er sagte: »Kommen Sie morgen nachmittag in mein Stadtatelier, Sie wissen, in der Calle de San Bernardino. Oder nein, nicht morgen«, verbesserte er sich, »morgen ist Dienstag, der Unglückstag. Kommen Sie Mittwochnachmittag. Aber ich kann Ihnen nicht mit Bestimmtheit versprechen, daß ich auch dasein werde.«
    Peral kam am Mittwoch, Goya war da.
    Er zeigte ihm einige von den Zeichnungen, von den »Satiren«. Er sah, mit wie kennerisch gierigen Augen Don Joaquín die Blätter beschaute, er zeigte ihm mehr, auch einige der Caprichos jetzt. Er spürte, mit welcher Wollust Peral den Weihrauch und Schwefel atmete, der daraus aufstieg, und er zeigte ihm die auf den Köpfen der Männer zum Hexensabbat fliegende Cayetana. Und er freute sich des bösen Triumphes, der in den Augen

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