Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Perals aufglänzte.
Und er fragte: »Bin ich närrisch,
Doktor? Ist das Wahnsinn, was ich
Da gezeichnet habe?« Doch der
Andere, voll Ehrfurcht, sagte:
»Wenn hier manches ist, was ich nicht
Recht begreife, dann ist’s deshalb,
Weil ich soviel wen’ger wissend
Bin als Sie. Sie zeigen uns die
Hölle so, als sei’n Sie dort ge-
Wesen, und mir schwindelt, schaue
Ich das alles an.« Francisco
Aber sprach: »Ich bin doch dort ge-
Wesen, Doktor, in der Hölle.
Sie, wenn einer, wissen’s doch. Und
Mir hat auch geschwindelt. Und daß
Es die andern schwindle, sehen
Sie, genau das habe ich ge-
Wollt. So ist es richtig, Doktor.«
Und er schlug ihm jungenhaft ver-
Gnügt die Schulter.
22
Er hatte die Arbeit an den Porträts vernachlässigt; die Auftraggeber wurden ungeduldig. Agustín erinnerte daran, daß das Bildnis des Conde Miranda schon vor drei Wochen hätte abgeliefert sein sollen; auch der Duque de Montillano habe gemahnt. Soweit er, Agustín, die beiden Porträts habe fördern können, habe er’s getan; jetzt sei es an Francisco, sie fertigzumachen.
»Mach doch du sie fertig«, antwortete Goya, beiläufig, gelangweilt. »Meinst du das im Ernst?« fragte begierig Agustín. »Aber gewiß«, antwortete Goya. Seitdem Cayetana die Caprichos beschaut hatte, kümmerte er sich noch weniger um die Meinung seiner hochadeligen Modelle.
Agustín arbeitete angespannt, nach zehn Tagen waren die beiden Bilder vollendet. Der Conde Miranda war sehr befriedigt, der Duque de Montillano nicht weniger.
In der Folge überließ es Goya seinem Agustín immer häufiger, Bildnisse fertigzustellen, von denen er selber kaum mehr gemalt hatte als die ersten Anfänge. Niemand merkte es. Francisco hatte seinen Spaß an der Verständnislosigkeit der Beschauer.
Er sagte zu Agustín: »Doña Cayetana möchte ein neues Porträt. Wenn ich sie male, gerät mir das Bild zu persönlich, das spür ich. Du weißt genau, wie ich es will: mach doch du dich einmal daran. Studien und Bilder sind mehr da, als du brauchst. Ich gebe dann noch ein paar Pinselstriche zu und die Signatur, und das Dekorum ist gewahrt.« Agustín schaute ihn verblüfft an, argwöhnisch. Francisco, herausfordernd, sagte: »Traust du dir’s nicht zu?« Im stillen dachte Agustín, das sei ein gefährlicher Spaß, und wenn er schlecht ende, dann werde er, Agustín, es auszubaden haben. »Du mußt wissen«, sagte er unsicher, »wie weit die Herzogin vertraut ist mit Kunst.« – »Sie ist genauso vertraut wie die andern«, sagte Francisco.
Agustín malte das Bild. Es geriet. Die gemalte Dame wardie Herzogin von Alba; das war ihr reines, klares, makellos schönes, ovales Gesicht mit den riesigen Augen, den hochmütigen Brauen, dem aufregend schwarzen Haar. Aber keine tote Brígida spukte hinter dieser Stirn; niemand hätte dieser Frau zugetraut, daß sie den Tod ihres Mannes mochte beschleunigt haben oder daß sie denen, die sie liebte, höllische Qualen auflegte aus Laune, Hochmut, Teufelei. Francisco beschaute das Bild gründlich. Dann fügte er ein paar Pinselstriche zu, signierte. Warf einen letzten Blick darauf. Es blieb ein Bild des Agustín Esteve. »Ausgezeichnet«, urteilte er. »Du wirst sehen, es wird Cayetana Freude machen.«
So geschah es, Cayetana
Freute sich des stillen, reinen,
Stolzen Antlitzes, das von der
Leinwand sie anschaute. »Möglich,
Daß du beßre Bilder von mir
Maltest«, sagte sie, »doch mir ist
Dies das liebste«, und sie fragte:
»Hab ich recht, Don Joaquín?« Der
Stand befremdet, ahnend, daß sich
Goya einen grimmen Scherz ge-
Leistet hatte. »Dies Porträt ist
Eine würdige Bereich’rung
Ihrer Sammlung«, sprach er. Goya
Sah’s und hörte es und grinste
Nicht. Er war mit Cayetana
Quitt.
23
An jenem Abend, da die Freunde das letztemal mit Jovellanos zusammen waren, hatte Agustín düster und bestimmt vorausgesagt, Don Manuel werde Urquijos kühnes Edikt über die Unabhängigkeit der spanischen Kirche widerrufen.Doch hatte ihm Don Gaspars fanatischer Widerspruch: »Das wagen sie nicht!« Eindruck und, gegen seine Vernunft, Hoffnung gemacht. Nun aber stellte in der Tat Don Manuel durch Königliche Verfügung die alte, bittere und kostspielige Abhängigkeit der spanischen Kirche von Rom wieder her, und dieses Ereignis, wiewohl erwartet, traf Agustín mit der Wucht neuen Unheils.
Es drängte ihn, sich die Brust auszuschütten vor Francisco. Als ihm dieser an Bildnissen, die er selber signierte, so weiten Anteil
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