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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Bestätigung und Trost, wenn Freunde ein tapferes Wort wagen für die Sache des Vaterlandes. Es ist doppelt wohltuend, wenn solche Worte gesprochen werden von einem Mann, von dem man das, offen gestanden, nicht erwartet hatte. Nehmen Sie meinen Dank, Don Francisco.« Er sprach mit Würde, sein strenges, hartfaltiges, knochiges Gesicht blieb finster. Als er zu Ende war, verneigte er sich.
    Goya wußte, daß in den Kreisen der Liberalen große Worte üblich waren; ihm selber aber lag das Pathetische nicht, die umständlichen Sätze seines Besuchers machten ihn verlegen, er erwiderte vag. Dann, lebhafter, meinte er, Don Gaspar sehe erfreulich gesund und kräftig aus. »Ja«, antwortete grimmig Jovellanos, »wenn einige Leute geglaubt haben, ich würde mich in meinem Exil in Trübsal und Kummer verzehren, dann haben sie sich getäuscht. Ich liebe meine Berge. Ich bin herumgeklettert, ich habe gejagt, ich habe in Ruhe studiert, und es ist mir, wie Sie richtig sagen, nicht schlecht bekommen.«
    »Es heißt«, sagte respektvoll Agustín, »Sie hätten in dieser Zeit der Ruhe mehrere bedeutende Bücher geschaffen.« – »Ich hatte Muße«, antwortete Jovellanos, »und ich habe einige meiner Ideen zu Papier gebracht. Es sind Essays über philosophische und staatswirtschaftliche Gegenstände. Nahe Freunde hielten meine Manuskripte für wichtig genug, sie nach Holland zu schmuggeln. Aber nach Madrid ist wohl nur wenig gelangt oder gar nichts.« – »Ich glaube, Sie irren, Don Gaspar«, sagte lächelnd, heiser und enthusiastisch Agustín. »Es gibt da zum Beispiel ein Manuskript, nicht umfangreich,aber gewichtig, ›Brot und Stierzirkus‹, ist der Titel. Als Verfasser zeichnet zwar ein gewisser Don Cándido Nocedal, aber wer einmal ein Werk von Jovellanos gelesen hat, der weiß, wer dieser Nocedal ist. So schreibt nur einer in Spanien.« Das hagere, gefurchte Gesicht des Jovellanos hatte sich überrötet. Agustín aber, begeistert, fuhr fort: »Die Inquisition hat nach dem Werk gejagt, und wer sich bei der Lektüre ertappen ließ, dem ging es nicht gut. Aber unsere Madrilenen haben sich nicht abschrecken lassen, sie haben das Manuskript wieder und wieder abgeschrieben, viele können es auswendig.« Und er begann zu zitieren: »Madrid hat mehr Kirchen und Kapellen als Wohnhäuser, mehr Priester und Mönche als Laien. An jeder Straßenecke werden einem gefälschte Reliquien angeboten und Berichte über erlogene Wunder. Die Religion besteht aus absurden Äußerlichkeiten, vor lauter Bruderschaften ist die Brüderlichkeit ausgestorben. In jedem Winkel des morschen, verfallenen, unwissenden, abergläubischen Spanien hängt ein verschmutztes Madonnenbild. Zur Beichte gehen wir jeden Monat, aber in unserer Lasterhaftigkeit verharren wir alle unsere Tage bis zu unserem Tod. Kein Heide ist so barbarisch und verbrecherisch wie wir spanischen Christen. Was wir fürchten, sind die Kerker der Inquisition, aber nicht fürchten wir das Jüngste Gericht.« – »Don Cándido Nocedal hat recht«, sagte schmunzelnd Jovellanos.
    Francisco indes hörte die klingenden Sätze mit Unmut und Furcht, und er zürnte Agustín, der sie unter seinem Dache sprach. Goya liebte nicht die Kirche und ihre Behörden; aber dergleichen dreiste und lästerliche Reden waren gefährlich, sie konnten einem die Inquisition auf den Hals hetzen. Auch forderten sie das Schicksal heraus. Er schaute auf die Jungfrau de Atocha und bekreuzte sich.
    Aber der Maler in ihm konnte nicht umhin, die Veränderung wahrzunehmen, die mit Jovellanos vorgegangen war. Dessen hartes Gesicht war sanfter geworden; er genoß den Humor der Situation, daß ihm da einer die guten Sätze zitierte, die er unter fremdem Namen aus seiner Verbannungnach Madrid geschmuggelt hatte. Goya sah, was unter den verkrusteten Zügen des Jovellanos vorging, und er wußte jetzt, wie er ihn malen werde, einen großen Mann trotz der schrullenhaften Härte seiner Tugend.
    Geradezu behaglich jetzt erging sich Jovellanos in Erinnerungen aus seiner politischen Vergangenheit. Erzählte, wieviel schlaue Umwege er hatte machen müssen, um fortschrittliche Maßnahmen durchzusetzen. Da hatte er etwa eine Verfügung erreicht, es dürfe nicht mehr aller Unrat Madrids einfach auf die Straße geschüttet werden. Daraufhin hatten die Gegner ärztliche Gutachten beigebracht, die dünne Luft Madrids verursache gefährliche Krankheiten, wenn sie nicht durch die Ausdünstungen des Unrats verdickt werde. Er aber, Jovellanos, hatte

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