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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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kläglich besorgt um sein bißchen Reputation. Darum traust du dir nicht, ihn zu malen, wie er ist. Angst hast du vor der Wahrheit, vor seiner Wahrheit und vor deiner Wahrheit. Ein Schisser bist du.«
    Jetzt aber war es genug. Den runden, bäuerlichen, löwenhaften Kopf vorgestoßen, ging Goya auf ihn los; die kräftigen Hände geballt, stand er vor ihm, ganz nahe. »Halt’s Maul, du trauriger Hanswurst!« befahl er gefährlich leise.
    »Ich denke nicht daran«, antwortete Agustín. »Da kleckstund schmierst du deine zehn Stunden am Tag und bist stolz auf deinen Fleiß und deine vielen hundert Bilder. Ich sage dir, du bist faul, leichtsinnig, lasterhaft, schlampig. Du weichst aus, du bist feig, du verdienst deine Begabung nicht. Da hast du diese Doña Lucía gemacht und dein neues Licht gefunden und deine neue Luft. Und was fängst du damit an? Statt dich zu konzentrieren, statt dich mit dem Neuen herumzuschlagen, bis du es für immer hast, verläßt du dich auf deine Hand und schmierst drauflos, brutal, mit dem alten Schlendrian.«
    »Wirst du jetzt das Maul halten, du Hund!« sagte Goya so bedrohlich, daß ein jeder zurückgewichen wäre. Nicht so Agustín. Er sah Goya schwer atmen, er wußte, daß der Freundfeind in seiner Wut sogleich in Taubheit fallen werde, und er hob die Stimme. »Dein Manuel«, schrie er, »wird vielleicht zufrieden sein mit deinem Dreck. Aber es ist Dreck, effektvoller Dreck und also doppelter Dreck. Und du weißt es. Und warum versagst du so jämmerlich? Weil du stinkend faul bist. Weil du dich nicht konzentrieren willst. Weil du zu geil bist, um dich zu konzentrieren. Eine Schande. Qué vergüenza. Weil du auf eine Frau wartest, die dir nicht gleich ja sagt und die es wahrscheinlich nicht wert ist, daß du wartest.«
    Das letzte, was Goya gehört hatte, war: »Qué vergüenza.« Dann hatte ihn eine dunkelrote Wolke von Wut eingehüllt und war ihm in die Ohren geschlagen und ins Hirn, daß er nicht mehr hörte. »Hinaus!« brüllte er. »Geh zu deinem Jovellanos. Mal ihn. Mal ihn, wie dein David den Marat gemalt hat, im Bad, totgeschlagen! Hinaus, sag ich! Hinaus! Und für immer!«
    Was Agustín erwiderte, hörte Francisco nicht, er sah ihn nur die Lippen bewegen. Er wollte sich auf ihn stürzen. Aber da ging Agustín wirklich. Eilig, ungelenk, stakigen Schrittes ging er hinaus.
    Töricht stand Francisco Goya
    Und allein mit dem halbfert’gen
    Manuel. »Qué vergüenza«, sprach er
    Vor sich hin und noch und nochmals:
    »Qué vergüenza, qué vergüenza.«
    Lief dann fort, geschäftig, lief dem
    Andern nach, laut rufend, schreiend;
    Denn er konnte seiner Stimme
    Schall nicht schätzen, ihm versagte
    Noch das Ohr. »So bleib doch«, rief er,
    »Bleib, du Esel, laß mich doch zu
    Ende reden. Ja, so bist du.
    Die gemeinsten Dinge sagst du
    Mir, und wenn ich was erwidre,
    Dann bist du gekränkt wie eine
    Ältliche Infantin-Tante.«
11
    Francisco Goya hatte von den hundertneunzehn Granden Spaniens beinahe die Hälfte porträtiert. Er kannte ihre Schwächen, ihre kleinen Menschlichkeiten, er bewegte sich unter ihnen wie unter seinesgleichen. Trotzdem war er jetzt, auf der Fahrt nach Moncloa zu der Herzogin von Alba, voll einer Scheu, wie er sie ähnlich nur verspürt hatte, als er, ein kleiner Junge, zum ersten Mal vor dem Grafen von Fuendetodos erscheinen sollte, dem allmächtigen Pachtherrn seines Vaters.
    Er machte sich über sich selber lustig. Was fürchtete er denn, und was hoffte er? Er fuhr zu einer Frau, die ihm deutliche Avancen gemacht hatte; das konnte keine Lüge gewesen sein. Aber warum dann hatte sie so lange geschwiegen?
    Sie war sehr beschäftigt gewesen in diesen Wochen, das war richtig. Er hatte viel über sie gehört, die ganze Stadt sprach von dem, was die Alba tat und ließ. Wo immer er war, hatte er erwarten müssen, daß ihr Name falle, und er hatte sich davor gefürchtet und sich danach gesehnt.
    Er wußte, dieser Name tat die gleiche Wirkung in den Kneipen der Majos und Majas wie in den Salons der Granden. Man schimpfte lästerlich, erzählte die wüstesten Dinge von ihr und war gleichzeitig entzückt, daß die Urenkelin des blutigsten Mannes in Spanien, des Marschalls Alba, so strahlend schön war, so kindlich, so hochmütig, so launisch verspielt. Einmal ließ sie sich mit Straßenjungen in Gespräche ein über den nächsten Stierkampf, dann wieder übersah sie hochmütig alle Grüße. Einmal zeigte sie herausfordernd ihre Neigung für französisches Wesen, dann

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