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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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antwortete er in goldenem Latein, »diese Arbeit zu unterbrechen.« Und er fuhr fort: »Der Allmächtige befiehlt dem Mond zu wachsen und abzunehmen. Der Allmächtige durchtränkt das Heilige Offizium bald mit Milde, bald mit Strenge. Deshalb bin ich der bescheidenen Meinung, daß vielleicht meine Arbeit doch noch einmal brauchbar sein wird.« – »Ich fürchte, o Bruder«, antwortete Lorenzana, »du bist stärker in der Hoffnung als im rechten Glauben. Aber sage mir deine Botschaft«, fuhr er herrisch fort. Der Abate antwortete: »Der Fürst des Friedens möchte deine Aufmerksamkeit darauf lenken, o Vater, daß der verurteilte Ketzer Pablo Olavide von sehr zartem Körper ist. Sollte aber dieser Körper erliegen, während er sich in der Obhut des Heiligen Offiziums befindet, dann, fürchtet der Fürst des Friedens, würde ganz Europa dieses Land und den Katholischen König bitter tadeln. Der Fürst des Friedens bittet dich deshalb, Reverendissime, der Gesundheit des Ketzers besondere Sorgfalt angedeihen zu lassen.« – »Du weißt, mein Bruder«, entgegnete der Großinquisitor, »daß die Zahl der Tage, die ein Mensch erreicht, nicht vom Heiligen Offizium bestimmt wird, sondern von der Heiligen Dreieinigkeit.« – »So ist es, mein Vater«, antwortete Don Diego. »Sollte aber die Heilige Dreieinigkeit die Tage des Ketzers so kurz bemessen, daß er noch in der Obhut des Heiligen Offiziums dahinfährt, dann, Reverendissime, sähe der Katholische König darin ein Zeichen der Mißbilligung des Allerhöchsten. Die Majestät sähe sich dann genötigt, dem Heiligen Vater einen Wechsel in der Leitung des Heiligen Offiziums vorzuschlagen.« Lorenzana verharrte eine halbe Minute in Schweigen. »Was also befiehlt Don Manuel dem HeiligenOffizium?« fragte er dann, rauh. Der Abate, besonders höflich, erwiderte: »Weder der Fürst des Friedens noch der Katholische König denkt daran, in die Geschäfte des Königs der Könige einzugreifen, dessen Gerichtsbarkeit auf spanischer Erde du, mein Vater, verwaltest. Wohl aber bitten dich die beiden weltlichen Fürsten, sehr ernst zu bedenken, daß der Leib des erwähnten Ketzers schwach und heilender Wässer bedürftig ist. Wolle also mein Vater erwägen, ob der Ketzer nicht füglich in ein Heilbad zu schicken sei. Der Fürst des Friedens würde sich freuen, wenn du ihn binnen längstens drei Tagen das Ergebnis deiner Erwägungen wissen ließest.« Lorenzana sagte: »Ich danke dir für deine Mitteilung, mein Bruder, und ich werde dir und deinem Herrn diese Fürsorge nicht vergessen.« Während des ganzen Gespräches genoß der Abate den Unterschied zwischen seinem gepflegten und des Großinquisitors grobem Latein.
    Kurz und sachlich teilte Lorenzana dem Ersten Minister mit, das Heilige Offizium werde den büßenden Ketzer Pablo Olavide zur Wiederherstellung seiner geschwächten Gesundheit nach Caldas de Montbuy schicken, damit er dort die warmen Bäder brauche.
    »Nun, Señores?« fragte stolz Don Manuel seine Freunde Miguel und Diego. »Hab ich’s Ihnen jetzt recht gemacht?« – »Wie denken Sie sich das Weitere?« fragte der Abate. Don Manuel schmunzelte freundlich schlau. »Ich habe da Ihnen eine Rolle zugedacht, mein Lieber«, antwortete er. »Ich habe seit langem die Absicht, einen Sondergesandten mit vertraulicher Botschaft nach Paris zu schicken wegen der Allianzverhandlungen. Ich bitte Sie, dieses Amt zu übernehmen, Don Diego. Ich werde Sie mit Vollmachten ausstatten, welche die Dienste jedes Untertans des Königs zu Ihrer Verfügung stellen. Es ist kaum ein Umweg, wenn Sie auf der Reise Ihren Freund Olavide in seinem Badeort aufsuchen. Es wird Ihnen nicht schwerfallen, ihn zu einem ausgedehnten Spaziergang zu bewegen. Wenn er sich dann ins Französische verirrt, ist das seine Sache.«
    Der Abate, sonst um eine kluge Antwort nicht verlegen, erblaßte und blieb stumm. Heiß wünschte er, Don Manuels Angebot anzunehmen, mit diesen seinen Händen den Olavide dem Lorenzana zu entreißen und ihn über die Pyrenäen zu retten. Aber wenn er das tut, dann wird er gezwungen sein, in Frankreich zu bleiben, nicht für kurze Zeit, für immer. Denn wenn er sich ins Land zurückwagt nach einem so ungeheuerlichen Verbrechen wie der Entführung eines verurteilten Ketzers, dann wird kein Mensch in Spanien, auch der König nicht, ihn schützen können, dann wird der Großinquisitor ihn packen und – er hat den wilden Haß in seinen Augen gesehen – ihn auf den Scheiterhaufen schicken unter

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