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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Mrs Perez an. Ihr trauriges Lächeln kehrte zurück. »Sie sind der Copeland-Junge, stimmt’s?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Camille Copelands Bruder.«
    »Ja.«
    »Haben Sie die Leiche identifiziert?«
    Ich wollte ihr von den Zeitungsausschnitten und dem Ring erzählen, hatte aber das Gefühl, dass uns die Zeit weglief. »Der Arm«, sagte ich. »Gil hatte doch diese schreckliche Narbe am Arm.«
    Sie nickte. »Ein Nachbar hat Lamas gezüchtet. Die Wiese war mit Stacheldraht eingezäunt. Gil konnte schon immer gut
klettern. Mit acht Jahren hat er versucht, ins Gehege zu klettern. Er ist abgerutscht, und der Draht hat eine lange Wunde in die Schulter und den Arm gerissen.« Sie wandte sich an ihren Mann. »Weißt du noch, mit wie vielen Stichen er dann genäht werden musste, Jorge?«
    Auch Jorge Perez lächelte traurig. »Zweiundzwanzig.«
    Das war eine ganz andere Geschichte als die, die wir von Gil kannten. Er hatte uns etwas über eine Messerstecherei erzählt, aber das war uns damals schon so vorgekommen, als hätte er es aus einer misslungenen Aufführung der West Side Story geklaut. Also war ich von diesem Widerspruch nicht überrascht.
    »Ich erinnere mich noch aus dem Lager daran«, sagte ich. Mit einem Nicken in Richtung des Fensters sagte ich: »Sehen Sie sich den Arm an.«
    Mr Perez schüttelte den Kopf. »Aber wir haben doch schon gesagt …«
    Seine Frau hob die Hand und brachte ihn so zum Schweigen. Sie hatte eindeutig die Führung übernommen. Sie nickte mir kurz zu, dann drehte sie sich wieder zum Fenster um.
    »Zeigen Sie mir die Narbe«, sagte sie.
    Ihr Mann sah sie verwirrt an, stellte sich dann aber neben sie. Dieses Mal nahm sie seine Hand und hielt sie fest. Der bärtige Mann hatte die Bahre schon wieder weggeschoben. York klopfte ans Glas. Der bärtige Mann erschrak. York winkte, dass er die Bahre wieder zum Fenster bringen sollte. Das tat er.
    Ich trat näher an Mrs Perez heran. Ich roch ihr Parfüm. Es kam mir irgendwie bekannt vor, ich wusste aber nicht mehr woher. Ich stand knapp einen halben Meter hinter ihnen und sah zwischen ihren Köpfen hindurch.
    York drückte den weißen Knopf der Gegensprechanlage. »Bitte zeigen Sie uns seine Arme.«
    Der Bärtige zog das Laken zurück, wobei er wieder vorsichtig und respektvoll vorging. Der gezackte Riss war deutlich zu
sehen. Mrs Perez lächelte wieder, aber auf welche Art – traurig, glücklich, verwirrt, verlogen, wissend, spontan – konnte ich nicht erkennen.
    »Am linken«, sagte sie.
    »Was?«
    Sie sah mich an. »Die Narbe ist am linken Arm«, sagte sie. »Gils war am rechten. Gils war auch nicht so lang.«
    Mrs Perez drehte sich zu mir um und legte mir die Hand auf den Arm. »Er ist es nicht, Mr Copeland. Ich verstehe sehr gut, warum Sie sich wünschen, dass es Gil ist. Aber er ist es nicht. Er kommt nicht zu uns zurück. Und Ihre Schwester auch nicht.«

6
    Als ich bei meinem Haus ankam, ging Loren Muse davor auf und ab, wie ein Löwe vor einer verwundeten Gazelle. Cara saß auf dem Rücksitz. Sie hatte in einer Stunde Tanzunterricht. Ich brachte sie nicht hin. Estelle, ihr Kindermädchen, war wieder da. Sie hat einen eigenen Wagen. Ich zahle Estelle zu viel, aber das stört mich überhaupt nicht. Wenn man ein gutes Kindermädchen findet, das auch noch ein eigenes Auto hat, dann zahlt man einfach, was verlangt wird.
    Ich bog in die Einfahrt. Das Haus war aus den Achtzigern, hatte mehrere Ebenen und drei Schlafzimmer und in etwa den Charme des Flurs im Leichenschauhaus. Ursprünglich hatte es nur etwas für den Einstieg sein sollen. Jane wollte sich später mit einem neueren, aufgemotzten McMansion verbessern, wobei es ihr Franklin Lakes besonders angetan hatte. Mir war es nicht so wichtig, wo wir wohnten. Ich legte keinen gesteigerten Wert auf Häuser oder Autos und hatte Jane in solchen Dingen ihren Willen gelassen.
    Ich vermisste meine Frau.

    Loren Muses Grinsen zeigte, dass etwas an ihr nagte. Loren konnte sich nicht gut verstellen, das war mal sicher. »Ich hab alle Rechnungen. Und die Computerdaten auch. Das ganze Drum und Dran.« Dann wandte sie sich an meine Tochter. »Hallo, Cara.«
    »Loren!«, rief Cara. Sie sprang aus dem Wagen. Cara mochte Muse. Muse konnte gut mit Kindern umgehen. Sie war nie verheiratet gewesen und hatte keine eigenen Kinder. Ich hatte vor ein paar Wochen ihren derzeitigen Freund kennengelernt. Der Typ war nicht in ihrer Liga, aber auch das schien für alleinstehende Frauen ab einem gewissen Alter normal zu

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