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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Wahrheit.
    Chamique trat mit hocherhobenem Kopf in den Zeugenstand. Ihr Blick wanderte nach rechts und links, aber nicht so verschlagen, wie damals bei Richard Nixon, sondern nachdenklich, als überlege sie, aus welcher Richtung der nächste Angriff kommen könnte. Sie war etwas zu stark geschminkt. Aber auch das war
in Ordnung. Sie sah aus wie ein Mädchen, das möglichst erwachsen wirken will.
    Ein paar meiner Mitarbeiter hatten sich gegen diese Strategie ausgesprochen. Ich dachte mir, wenn schon verlieren, dann wenigstens auf ehrliche Art und Weise. Ich war also auf alles vorbereitet.
    Chamique nannte ihren vollständigen Namen, schwor auf die Bibel und setzte sich. Ich sah ihr lächelnd in die Augen. Chamique nickte kurz und zeigte mir damit, dass ich anfangen konnte.
    »Sie arbeiten als Stripperin, stimmt das?«
    Die Zuschauer waren überrascht, dass ich – ohne jede Vorbereitung  – mit einer solchen Frage einstieg. Ein paar schnappten hörbar nach Luft. Chamique blinzelte. Ich hatte ihr in groben Zügen gesagt, wie ich vorgehen wollte, war aber absichtlich nicht in die Einzelheiten gegangen.
    »Manchmal«, sagte sie.
    Die Antwort gefiel mir nicht. Sie war mir zu zurückhaltend.
    »Aber Sie ziehen sich für Geld aus, stimmt’s?«
    »Ja.«
    Das war besser. Kein Zögern.
    »Strippen Sie in Clubs oder bei Privatfeiern?«
    »Beides.«
    »In welchem Club treten Sie auf?«
    »Im Pink Tail. In Newark.«
    »Wie alt sind Sie?«, fragte ich.
    »Sechzehn.«
    »Muss man nicht achtzehn sein, um als Stripperin arbeiten zu dürfen?«
    »Ja.«
    »Und wie haben Sie das umgangen?«
    Chamique zuckte die Achseln. »Ich habe mir einen falschen Ausweis besorgt. Da steht drin, dass ich einundzwanzig bin.«

    »Also verstoßen Sie gegen das Gesetz.«
    »Ich glaub schon.«
    »Verstoßen Sie gegen das Gesetz oder nicht?«, fragte ich nach. Meine Stimme klang hart. Chamique verstand. Sie sollte ehrlich sein. Ich wollte – verzeihen Sie mir das Wortspiel –, dass sie sich völlig entblößte. Der harte Ton sollte ihr das bewusst machen.
    »Ja, ich verstoße gegen das Gesetz.«
    Ich sah kurz zu den Verteidigern hinüber. Mort Pubin starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Flair Hickory hatte die Handflächen zusammengepresst und die Zeigefinger über die Lippen gelegt. Ihre beiden Mandanten, Barry Marantz und Edward Jenrette, saßen in ihren blauen Blazern und mit blassen Gesichtern neben ihnen. Sie sahen nicht blasiert, selbstbewusst oder böse aus. Sie wirkten zerknirscht, verängstigt und sehr jung. Ein Zyniker hätte dies wohl als Absicht bezeichnet, hätte behauptet, ihre Anwälte hätten ihnen gesagt, in welcher Haltung und mit welcher Miene sie dasitzen sollten. Aber ich wusste es besser. Doch das war mir jetzt egal.
    Ich lächelte meiner Zeugin zu. »Da sind Sie nicht die Einzige, Chamique. Im Verbindungshaus Ihrer Vergewaltiger haben wir einen Stapel falscher Ausweise gefunden – mit denen sie wohl auf Partys gegangen sind, bei denen Alkohol ausgeschenkt worden ist und für die man laut Gesetz mindestens 21 Jahre alt sein muss. Sie haben diesen Gesetzesverstoß wenigstens für die Sicherung Ihres Lebensunterhalts begangen.«
    Mort sprang auf. »Einspruch!«
    »Stattgegeben.«
    Aber sie hatten es gehört. Wie heißt es so schön? Wenn eine Glocke erst einmal geschlagen ist, kann man nicht mehr verhindern, dass ihr Klang auch gehört wird.
    »Miss Johnson«, fuhr ich fort, »Sie sind keine Jungfrau mehr, oder?«

    »Nein.«
    »Sie haben sogar einen unehelichen Sohn.«
    »Ja.«
    »Wie alt ist er?«
    »Fünfzehn Monate.«
    »Sagen Sie mir eins, Miss Johnson. Macht die Tatsache, dass Sie keine Jungfrau mehr sind und einen unehelichen Sohn haben, Sie zu einem minderwertigen Menschen?«
    »Einspruch!«
    »Stattgegeben.« Der Richter, ein Mann mit buschigen Augenbrauen namens Arnold Pierce, sah mich stirnrunzelnd an.
    »Ich möchte nur ein paar Dinge verdeutlichen, Euer Ehren. Wenn Miss Johnson eine Blondine aus einer der besseren Familien in Short Hills oder Livingston wäre …«
    »Das können Sie sich für Ihr Plädoyer aufheben, Mr Copeland.«
    Das tat ich natürlich. Und jetzt hatte ich es in der Eröffnung auch schon einmal angesprochen. Ich wandte mich wieder an die Zeugin.
    »Strippen Sie gerne, Chamique?«
    »Einspruch!« Wieder stand Mort Pubin auf. »Irrelevant. Wen interessiert, ob sie gerne strippt oder nicht?«
    Richter Pierce sah mich an. »Und?«
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte ich an

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