Grab im Wald
sprechen.«
»Und wer ist Manolo Santiago nun wirklich?«
»Keine Ahnung.«
»Die Freundin verrät es Ihnen nicht?«
»Die Freundin kannte ihn nur unter dem Namen Santiago. Ach, da wäre noch was.«
»Was?«
»Seine Leiche wurde bewegt. Na ja, das wussten wir ja schon von Anfang an, aber jetzt haben wir die Bestätigung. Und unser Gerichtsmediziner sagt, die Blutungen und noch was anderes, von dem ich nur die Hälfte verstehe, weil es mich eigentlich nicht interessiert, zeigen, dass er etwa eine Stunde tot war, als seine Leiche da ausgeladen wurde, wo wir sie gefunden haben. Er hat auch noch ein paar Textilfasern entdeckt. Nach den ersten Ermittlungen von einem Autoteppich.«
»Also ist Santiago ermordet, in einen Kofferraum gesteckt und dann in Washington Heights wieder ausgeladen worden.«
»Das ist unsere derzeitige Arbeitshypothese.«
»Gibt es Hinweise auf den Autohersteller?«
»Noch nicht. Aber unser Mann meinte, es muss ein altes Modell sein. Mehr weiß er noch nicht. Aber er arbeitet dran.«
»Wie alt?«
»Keine Ahnung. Ach kommen Sie, Copeland, geben Sie mir ein bisschen Zeit.«
»Wie Sie wissen, habe ich ein starkes persönliches Interesse an dem Fall.«
»Wo wir gerade davon sprechen.«
»Was?«
»Warum machen Sie nicht mit?«
»Wie soll das gehen?«
»Ich bin hier völlig überlastet. Und jetzt haben wir ja eine mögliche Verbindung nach New Jersey – weil Santiago da vermutlich gewohnt hat. Seine Freundin wohnt auf jeden Fall da. Und sie hat sich auch ausschließlich in New Jersey mit ihm getroffen.«
»Bei mir im County?«
»Nein, ich glaube in Hudson County. Vielleicht war’s auch Bergen County. Woher soll ich das wissen. Aber es ist nah genug dran. Aber einen Punkt sollte man dabei auch nicht außer Acht lassen.«
»Ich höre.«
»Ihre Schwester hat doch in New Jersey gewohnt, oder?«
»Ja.«
»Das ist außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs. Sie können Ihren wahrscheinlich so weit ausdehnen, auch wenn es nicht in Ihrem County liegt. Machen Sie doch den alten Fall wieder auf – ist ja nicht so, dass Sie damit irgendjemandem in die Parade fahren.«
Ich dachte darüber nach.
Natürlich wollte er mich benutzen. Er hoffte einfach darauf, dass ich ihm ein bisschen was von seiner Arbeit abnahm und er hinterher trotzdem den Ruhm einheimsen konnte – aber damit hatte ich kein Problem.
»Diese Freundin«, sagte ich. »Kennen Sie ihren Namen?«
»Raya Singh.«
»Und die Adresse?«
»Wollen Sie mit ihr sprechen?«
»Haben Sie irgendwelche Einwände?«
»Solange Sie mir meinen Fall nicht verpfuschen, können Sie machen, was Sie wollen. Aber einen wohlgemeinten Rat möchte ich Ihnen noch geben.«
»Nur zu.«
»Dieser Verrückte. Der Sommer-Schlitzer. Ich habe seinen Namen vergessen.«
»Wayne Steubens«, sagte ich.
»Den haben Sie doch gekannt, stimmt’s?«
»Haben Sie die Fallakte gelesen?«, fragte ich.
»Ja. Der Sheriff hat Sie damals auch ganz genau unter die Lupe genommen, was?«
Ich erinnerte mich noch an Sheriff Lowell und seinen argwöhnischen Blick. Aber damals war das natürlich absolut verständlich gewesen.
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Nur auf einen einzigen Punkt: Steubens versucht immer noch, das Urteil von damals aufheben zu lassen.«
»Für die ersten vier Morde wurde er gar nicht verurteilt«, sagte ich. »Die Anklage brauchte sie nicht – die Beweislage in den andern Fällen war eindeutiger.«
»Ich weiß. Trotzdem. Es hat was mit der Sache zu tun. Wenn Santiago wirklich Gil Perez ist und Steubens das mitkriegt, na ja, das wäre schon ein wichtiger Aspekt. Verstehen Sie, was ich meine?«
Er meinte, ich sollte den Mund halten, bis ich absolut sicher war. Das leuchtete mir ein. Wayne Steubens wollte ich nun wirklich nicht helfen.
Wir legten auf. Loren Muse steckte den Kopf in mein Büro.
»Haben Sie was Neues für mich?«, fragte ich.
»Nein. Tut mir leid.« Sie sah auf die Uhr. »Sind Sie bereit für Ihre große Befragung?«
»Bin ich.«
»Dann los. Showtime.«
»Das Gericht ruft Chamique Johnson in den Zeugenstand.«
Chamique war zwar etwas, aber nicht übertrieben konservativ gekleidet. Man sah ihr noch an, dass sie auf der Straße aufgewachsen war. Man sah auch ihre Kurven noch. Ich hatte sie sogar in Stöckelschuhe gesteckt. Manchmal versucht man, den Blick der Geschworenen zu verschleiern. In anderen Fällen, wie in diesem, hat man nur dann eine Chance, wenn die Jury das ganze Bild sieht, die reine, ungeschminkte
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