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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Totenmasken. Die Haut sah aus, als hätte man sie von hinten gestrafft, so dass die Wangenknochen zu weit hervortraten und die leidenden Augen tief in den Höhlen lagen. Sie waren die Beschützer, die gekommen waren, um ihrem Nachwuchs zur Seite zu stehen. Sie waren am Boden zerstört. Ich hatte Mitleid mit ihnen. Aber das war Pech. Edward Jenrette und Barry Marantz hatten wenigstens Menschen, die ihnen zur Seite standen.
    Chamique Johnson hatte niemanden.
    Trotzdem verstand ich irgendwie, was da passiert war. Man fängt an zu trinken, verliert die Kontrolle, denkt nicht an die Konsequenzen seines Handelns. Wahrscheinlich würden sie so etwas nie wieder tun. Wahrscheinlich hatten sie ihre Lektion gelernt. Aber das war eben auch Pech.
    Manche Menschen waren von Grund auf schlecht, sie blieben ihr Leben lang grausam und gefährlich und fügten anderen Schmerzen zu. Manche andere, vielleicht die meisten Menschen, mit denen ich beruflich zu tun hatte, hatten einfach einmal Mist gebaut. Aber mein Job bestand nicht darin, diese Unterscheidungen zu treffen. Das überließ ich dem Richter, der das Urteil sprach.
    »Okay«, sagte ich, »was ist dann passiert?«
    »Er hat die Tür zugemacht.«
    »Wer?«
    Sie deutete auf Marantz.
    »Chamique, zur Erleichterung des Verfahrens, könnten Sie ihn Mr Marantz und den anderen Mr Jenrette nennen?«
    Sie nickte.

    »Mr Marantz schloss also die Tür. Und wie ging es dann weiter?«
    »Mr Jenrette hat gesagt, ich soll mich hinknien.«
    »Wo ist Mr Flynn zu diesem Zeitpunkt gewesen?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Sie wissen es nicht?« Ich spielte den Überraschten. »War er nicht mit Ihnen zusammen die Treppe hinaufgekommen?«
    »Doch.«
    »Hat er nicht neben Ihnen gestanden, als Mr Jenrette Sie gepackt hat?«
    »Doch.«
    »Und dann?«
    »Weiß ich nicht. Er ist nicht mit ins Zimmer gekommen. Er hat einfach die Tür zufallen lassen.«
    »Haben Sie ihn wieder gesehen?«
    »Erst später.«
    Ich holte tief Luft und stürzte mich hinein. Ich fragte Chamique, was als Nächstes passiert war. Ich führte sie durch die Einzelheiten der Vergewaltigung. Ihre Aussage war anschaulich, obwohl sie sehr sachlich sprach – sie hatte ihre Gefühle vollkommen abgekoppelt. Es gab viele Punkte, an denen ich nachhaken konnte: was sie gesagt hatten, wie sie gelacht hatten, was sie mit ihr gemacht hatten. Ich brauchte die Einzelheiten. Ich glaube zwar nicht, dass die Geschworenen das wirklich hören wollten, trotzdem musste sie so detailliert wie möglich werden und alle Einzelheiten erzählen. Chamique musste sich an jede Stellung erinnern, daran, wer wo gewesen war und wer was getan hatte.
    Alle waren wie betäubt.
    Als wir mit der Aussage über die Vergewaltigung fertig waren, ließ ich ein paar Sekunden verstreichen, dann ging ich unser Hauptproblem an. »In Ihrer Aussage haben Sie erzählt, dass die Vergewaltiger sich mit den Namen Cal und Jim angesprochen haben.«

    »Einspruch, Euer Ehren.«
    Flair Hickory beteiligte sich zum ersten Mal aktiv an der Verhandlung. Er sprach mit ruhiger Stimme, aber so bestimmt, dass alle Anwesenden ihm zuhörten.
    »Die Zeugin hat nicht ausgesagt, dass sie sich mit den Namen Cal und Jim angesprochen hätten«, sagte Flair. »Sie hat sowohl in ihrer Aussage als auch in der Voruntersuchung gesagt, dass sie Cal und Jim waren.«
    »Ich werde die Frage umformulieren«, sagte ich mit überdrüssiger Stimme, als wollte ich die Geschworenen fragen, ob dieser Mann nicht unglaublich pingelig war. Ich wandte mich wieder an Chamique. »Wer von beiden war Cal, und wer war Jim.«
    Chamique identifizierte Barry Marantz als Cal und Edward Jenrette als Jim.
    »Haben sie sich Ihnen so vorgestellt?«, fragte ich.
    »Nein.«
    »Und woher kannten Sie dann ihre Namen?«
    »Sie haben sich gegenseitig so genannt.«
    »Laut Ihrer Aussage hat Mr Marantz zum Beispiel gesagt: ›Beug Sie nach vorn, Jim.‹ Meinen Sie das?«
    »Ja.«
    »Ihnen ist bekannt«, fragte ich, »dass keiner der Angeklagten Cal oder Jim heißt?«
    »Ich weiß«, sagte sie.
    »Haben Sie irgendeine Erklärung dafür, dass sie sich so genannt haben?«
    »Nein. Ich sage nur, was sie gemacht und wie sie geredet haben.«
    Sie zögerte keine Sekunde und suchte auch nicht nach Ausflüchten  – das waren gute Antworten. Ich ließ sie unkommentiert stehen.
    »Was ist passiert, nachdem die beiden Sie vergewaltigt hatten?«

    »Ich musste mich waschen.«
    »Wie?«
    »Sie haben mich in eine Dusche gestellt und mich dann mit Seife

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