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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Achseln. »Das war noch gar nichts. Da hab ich nur mal kurz die Muskeln spielen lassen.«
    Er sah mir in die Augen und hielt meinem Blick stand. Jetzt reichte es.

    »Auf Wiedersehen, Mr Jenrette.«
    Er ergriff meinen Unterarm. »Sie werden freigesprochen werden.«
    »Das wollen wir mal sehen.«
    »Sie haben heute ein paar Mal gepunktet, aber die Hure muss noch ins Kreuzverhör. Sie können nicht erklären, warum sie die Namen falsch verstanden hat. Das ist eine Hürde, die Sie nicht überwinden werden. Und das wissen Sie auch. Also hören Sie sich meinen Vorschlag wenigstens an.«
    Ich wartete.
    »Mein Sohn und der Marantz-Junge werden sich in allen Anklagepunkten schuldig bekennen, sofern sie nicht ins Gefängnis müssen. Sie leisten gemeinnützige Arbeit. Sie können Ihnen strenge Bewährungsauflagen geben, so lange Sie wollen. Das ist nur fair. Außerdem werde ich diese hilfsbedürftige Frau unterstützen und dafür sorgen, dass JaneCare ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Das ist eine Win-win-win-Situation.«
    »Nein«, sagte ich.
    »Glauben Sie wirklich, dass die Jungs so was noch mal machen?«
    »Wenn ich ehrlich bin«, sagte ich, »halte ich das für sehr unwahrscheinlich.«
    »Ich dachte, bei der Gefängnisstrafe geht es um Rehabilitation?«
    »Auch, aber ich glaube nicht an Rehabilitation«, sagte ich. »Ich glaube an Gerechtigkeit.«
    »Und Sie finden es gerecht, wenn mein Sohn ins Gefängnis geht?«
    »Ja«, sagte ich. »Aber, wie schon gesagt, die Entscheidung liegt in den Händen des Richters und der Geschworenen.«
    »Haben Sie noch nie einen Fehler gemacht, Mr Copeland?«
    Ich antwortete nicht.

    »Ich werde mich nämlich auf die Suche danach machen. Ich werde so lange suchen, bis ich jeden Fehler gefunden habe, den Sie je gemacht haben. Und ich werde meine Entdeckungen gegen Sie verwenden. Irgendwo haben auch Sie Ihre Leichen im Keller, Mr Copeland. Das wissen Sie ebenso gut wie ich. Wenn Sie Ihre Hexenjagd fortsetzen, werde ich diese Leichen ans Licht der Öffentlichkeit zerren.« Sein Selbstbewusstsein schien mit jeder Sekunde zu wachsen. Das gefiel mir nicht. »Mein Sohn hat vielleicht einen großen Fehler gemacht. Wir versuchen den Schaden, den er angerichtet hat, wiedergutzumachen und zu ersetzen, ohne sein Leben dabei zu zerstören. Verstehen Sie das?«
    »Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen«, sagte ich.
    Er ließ meinen Arm nicht los.
    »Das ist die letzte Warnung, Mr Copeland. Ich werde alles tun, um meinen Sohn zu schützen.«
    Ich sah EJ Jenrette an, und dann machte ich etwas, was ihn überraschte. Ich lächelte.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Das ist nett«, sagte ich.
    »Was?«
    »Dass Ihr Sohn so viele Freunde hat, die sich für ihn einsetzen«, sagte ich. »Nicht nur hier, auch im Gerichtssaal. Edward hat da sehr viele Menschen hinter sich.«
    »Er ist beliebt.«
    »Nett«, wiederholte ich und zog meinen Arm weg. »Aber wenn ich mir die vielen Menschen angucke, die hinter Ihrem Sohn sitzen, wissen Sie, was mir dann auffällt?«
    »Was?«
    »Hinter Chamique Johnson«, sagte ich, »sitzt überhaupt niemand.«

    »Diesen Bericht möchte ich im Seminar gern vorlesen«, sagte Lucy Gold.
    Lucy gefiel es am besten, wenn die Studenten ihre Tische in einen großen Kreis stellten. Dann stellte sie sich in die Mitte. Es war zwar ein bisschen peinlich, in diesem »Lernkreis« wie ein aufgeregter Catcher hin und her zu laufen, aber ihre Erfahrung hatte gezeigt, dass das meistens gut funktionierte. Indem man die Studenten in einen Kreis setzte, egal wie groß, saßen alle in der ersten Reihe. Keiner konnte sich hinter einem anderen verstecken.
    Lonnie war auch im Raum. Lucy hatte überlegt, ob er den Bericht vorlesen sollte, damit sie die Gesichter besser studieren konnte, aber die Erzählstimme war weiblich. Es würde falsch klingen. Außerdem musste die Verfasserin dieses Berichts wissen, dass Lucy eine Reaktion erwartete. Schließlich konnte das kein Zufall sein. Sie spielte mit ihr. Also beschloss Lucy, den Text selbst vorzulesen, während Lonnie die Reaktionen beobachtete. Und selbstverständlich würde Lucy oft aufblicken, kurze Pausen einlegen und darauf hoffen, dass sich jemand verriet.
    Sylvia Potter, die Schleimerin, saß direkt vor ihr. Sie hatte die Hände zusammengelegt und die Augen weit aufgerissen. Lucy sah sie an und lächelte kurz. Neben ihr saß Alvin Renfro, ein absoluter Faulpelz. Renfro saß wie die meisten Studenten – als hätte er keine Knochen und könnte

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