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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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oder von Januar bis Mai. Dann verließen sie sie. Manche meldeten sich noch mal bei ihr. Aber nur sehr wenige. Und sie freute sich immer, jemanden wiederzusehen. Aber sie wurden nie wieder zu Familienmitgliedern. Diesen Status erreichten nur die aktuellen Studenten. Es war seltsam.
    Irgendwann verließ Lonnie den Raum. Lucy fragte sich, wohin er ging, aber jetzt war sie allein im Seminar. Manchmal war es zu schnell vorbei. So wie heute. Am Ende der Sitzung, als die Studenten anfingen, ihre Rucksäcke zu packen, war sie mit der Suche nach dem Autor des anonymen Berichts keinen Schritt vorangekommen.
    »Und nicht vergessen«, sagte Lucy. »Spätestens morgen möchte ich zwei weitere Seiten von den Erlebnisberichten haben.« Dann ergänzte sie: »Ach, und wer will, kann natürlich auch mehr als zwei Seiten schicken.«
    Zehn Minuten später war sie in ihrem Büro. Lonnie war schon da.
    »Hast du was in ihren Gesichtern gesehen?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte er.
    Lucy packte ihre Sachen zusammen, stopfte einen Stapel Papiere in ihre Laptop-Tasche.
    »Wo gehst du hin?«, fragte Lonnie.
    »Ich hab einen Termin.«
    Ihr Tonfall hielt ihn von weiteren Fragen ab. Diesen »Termin« hatte Lucy jede Woche, aber sie vertraute niemandem an, worum es ging. Nicht einmal Lonnie.
    »Soso«, sagte Lonnie. Er sah zu Boden. Sie wartete.
    »Was ist los, Lonnie?«
    »Bist du absolut sicher, dass du wissen willst, wer den Bericht
geschickt hat? Also, ich weiß nicht recht. Das ist ein ziemlich großer Vertrauensbruch.«
    »Ich muss es wissen.«
    »Wieso?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
    Er nickte. »Also gut.«
    »Was heißt das?«
    »Wann bist du wieder zurück?«
    »So in ein bis zwei Stunden.«
    Lonnie sah auf die Uhr. »Bis dahin«, sagte er, »müsste ich eigentlich wissen, wer ihn geschickt hat.«

9
    Die Fortsetzung der Verhandlung wurde auf den nächsten Morgen vertagt.
    Manche Prozessbeobachter behaupten, dass das einen großen Unterschied macht – die Geschworenen würden eine Nacht darüber schlafen, so dass die Fakten sich setzen und so weiter. Solche Überlegungen helfen einem nicht weiter. Es gehört zum ganz normalen Ablauf eines Verfahrens. Selbst wenn es positive Aspekte gab, wurden die doch dadurch wieder wettgemacht, dass Flair Hickory mehr Zeit für die Vorbereitung des Kreuzverhörs hatte. So läuft das bei Gerichtsverhandlungen. Man entwickelt aberwitzige Theorien, aber am Ende gleicht sich doch alles wieder aus.
    Von meinem Handy rief ich Loren Muse an. »Haben Sie schon was?«
    »Wir arbeiten noch dran.«
    Ich legte auf und sah, dass ich eine Nachricht von Detective York bekommen hatte. Ich wusste nicht, wie ich mit Mrs Perez’ Lüge über die Narbe an Gils Arm umgehen sollte. Wenn ich ihr
das Foto zeigte, würde sie vermutlich sagen, dass sie sich geirrt hatte. So einfach war das.
    Aber warum hatte sie das getan?
    Glaubte sie tatsächlich, die Wahrheit zu sagen – dass das nicht die Leiche ihres Sohnes war? Machten sowohl Mr als auch Mrs Perez bloß einen bedauerlichen, wenn auch verständlichen Fehler  – war es für die beiden so unfassbar, dass ihr Gil die ganze Zeit am Leben gewesen war, dass sie ihren Augen nicht trauten?
    Oder hatten sie gelogen?
    Und wenn sie gelogen hatten, warum?
    Bevor ich sie mit meiner Entdeckung konfrontierte, musste ich weitere Fakten sammeln. Ich brauchte einen eindeutigen Beweis, dass es sich bei dem Toten im Leichenschauhaus mit dem Decknamen Manolo Santiago tatsächlich um Gil Perez handelte, um den jungen Mann, der vor fast zwanzig Jahren zusammen mit meiner Schwester, Margot Green und Doug Billingham im Wald verschwunden war.
    Yorks Nachricht lautete: »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, bis ich das rausgekriegt habe. Sie wollten wissen, wo Sie Raya Singh, die Freundin des Opfers, finden. Ob Sie es glauben oder nicht, aber wir hatten nur eine Handynummer. Die haben wir angerufen. Sie arbeitet in einem indischen Restaurant an der Route 3 in der Nähe vom Lincoln Tunnel.« Er nannte den Namen und die Adresse. »Angeblich ist sie heute den ganzen Tag da. Hey, wenn Sie Santiagos richtigen Namen erfahren, melden Sie sich. Soweit wir das feststellen können, hat er schon lange unter dem Decknamen gelebt. Er hat sich im Großraum Los Angeles ein paar Sachen zuschulden kommen lassen. Aber nur Kleinkram. Wir hören voneinander.«
    Ich fragte mich, was ich davon halten sollte. Mir fiel nicht viel ein. Ich ging zum Wagen, aber als ich mich hineinsetzen wollte, fiel mir

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