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Grab im Wald

Grab im Wald

Titel: Grab im Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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der Vorverhandlung eine Lügengeschichte zu erzählen. Sie vor Publikum in der eigentlichen »Show« zu bestätigen, war eine ganz andere Sache. Ich sah Muse an. Sie saß in der letzten Reihe und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Mit mittelmäßigem Ergebnis. Als Pokerspielerin wäre Muse nicht meine erste Wahl.
    Ich bat ihn, fürs Protokoll seinen Namen zu nennen.
    »Gerald Flynn.«
    »Sie werden Jerry genannt, ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Gut, fangen wir ganz vorn an, ja? Wann haben Sie die Zeugin Miss Chamique Johnson kennengelernt?«
    Chamique war gekommen. Sie saß neben Horace Foley in der Mitte der vorletzten Reihe. Eine interessante Platzwahl. Sie wollte sich wohl nicht festlegen. Vorhin hatte ich noch einen Streit im Flur vor dem Gerichtssaal gehört. Den Familien Jenrette und Marantz hatten die kurzfristigen Änderungen in Chamiques Widerruf nicht gefallen. Sie hatten versucht, den Vergleich zu besiegeln, was aber nicht geklappt hatte. Der Verhandlungsbeginn hatte sich daher etwas verzögert. Sie waren trotzdem vorbereitet. Im Gerichtssaal hatten sie dann wieder ihre Verhandlungsmienen aufgesetzt: besorgt, ernst, engagiert.
    Sie gingen davon aus, dass die Einigung nur verschoben war. In ein paar Stunden wäre alles erledigt.

    »Am zwölften Oktober, als sie im Verbindungshaus war«, antwortete er.
    »Sie erinnern sich an das Datum?«
    »Ja.«
    Ich verzog das Gesicht zu einer » Das ist ja mal interessant«-Miene, obwohl es das eigentlich nicht war. Natürlich kannte er das Datum. Es war auch für sein Leben von großer Bedeutung.
    »Warum ist Miss Johnson an diesem Tag bei Ihnen im Verbindungshaus gewesen?«
    »Sie sollte als erotische Tänzerin auftreten.«
    »Hatten Sie ihr den Auftrag erteilt?«
    »Nein. Also, den Auftrag hatte sie im Namen der Verbindung bekommen, aber ich war nicht für die Buchung zuständig oder so was.«
    »Verstehe. Miss Johnson ist also zu Ihnen ins Verbindungshaus gekommen und hat da einen erotischen Tanz aufgeführt?«
    »Ja.«
    »Und Sie haben sich diesen Tanz angesehen?«
    »Ja.«
    »Wie hat er Ihnen gefallen?«
    Mort Pubin sprang auf. »Einspruch!«
    Der Richter musterte mich schon mit finsterem Blick. »Mr Copeland?«
    »Laut Aussage von Miss Johnson hat Mr Flynn die Einladung zu der Party ausgesprochen, bei der sie dann vergewaltigt worden ist. Ich möchte verstehen, warum er das gemacht hat.«
    »Dann fragen Sie ihn das«, sagte Pubin.
    »Euer Ehren, darf ich vielleicht so vorgehen, wie ich es für richtig halte?«
    Richter Pierce sagte: »Versuchen Sie, die Frage umzuformulieren.«
    Ich wandte mich wieder an Flynn. »Hielten Sie Miss Johnson für eine gute erotische Tänzerin?«, fragte ich.

    »Ich denke schon.«
    »Ja oder nein?«
    »Sie war nicht überwältigend. Aber ja, ich fand sie ziemlich gut.«
    »Hat Ihnen ihr Aussehen gefallen?«
    »Ja, also, irgendwie schon.«
    »Ja oder nein.«
    »Einspruch!« Wieder Pubin. »So eine Frage muss er nicht mit ja oder nein beantworten. Vielleicht fand er, dass sie ziemlich gut aussah. Man kann nicht immer mit ja oder nein antworten.«
    »Ich muss Ihnen zustimmen, Mort«, sagte ich zu seiner Überraschung. »Lassen Sie mich die Frage etwas umformulieren, Mr Flynn – wie attraktiv fanden Sie Miss Johnson?«
    »Wie auf einer Skala von eins bis zehn?«
    »Das wäre großartig, Mr Flynn. Auf einer Skala von eins bis zehn.«
    Er überlegte kurz. »So sieben, vielleicht acht.«
    »Gut, danke. Und haben Sie sich im Lauf des Abends mit Miss Johnson unterhalten?«
    »Ja.«
    »Worüber haben Sie gesprochen?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Versuchen Sie bitte, sich zu erinnern.«
    »Ich hab sie gefragt, wo sie wohnt. Sie hat gesagt, in Irvington. Ich hab gefragt, ob sie zur Uni geht oder einen Freund hat. So was in der Art eben. Sie hat mir erzählt, dass sie ein Kind hat. Dann hat sie gefragt, was ich studiere. Ich hab gesagt, dass ich Medizin studieren will.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Das lief die ganze Zeit so weiter.«
    »Verstehe. Wie lange haben Sie sich ungefähr mit ihr unterhalten?«

    »Weiß ich nicht.«
    »Vielleicht kann ich Ihnen helfen. War es länger als fünf Minuten?«
    »Ja.«
    »Länger als eine Stunde?«
    »Nein, eher nicht.«
    »Länger als eine halbe Stunde?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Länger als zehn Minuten?«
    »Ich glaub schon.«
    Richter Pierce unterbrach mich und sagte, es hätten jetzt alle begriffen, und ich sollte doch bitte fortfahren.
    »Erinnern Sie sich noch, wie Miss Johnson von dieser

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