Grabesdunkel
es sich bei dem ermordeten Mädchen um Ester Tidemann Pedersen handelt«, hieà es in VG und: »Der Augenzeuge Ewald Knutsen sagt gegenüber Nyhetsavisen, dass â¦Â« Wie war die Konkurrenz nur an diese Informationen gekommen?
Eine mehr als unschöne Theorie nahm in seinem Kopf Gestalt an. Er warf seine Tasche auf den Tisch und ging ihren Inhalt durch. Nein! Nein! Nein!
Als er am Vorabend aufgebrochen war, hatte er einige der Ausdrucke mitgenommen, die er gegenlesen wollte. Es kam hin und wieder vor, dass der Ressortleiter die Zeitungsseiten ausdruckte, damit die Journalisten einen letzten Blick darauf werfen konnten. Statt die Ausdrucke wegzuwerfen, hatte Joakim sie in die Tasche gesteckt, und so waren sie bei ihm zu Hause gelandet. Sie waren wohl kaum von selbst verschwunden. Sie musste sie an sich genommen haben. Aber wann? Während er im Bad war? Hatte sie sich deshalb sofort angezogen? Hatte Helene es deshalb so eilig gehabt?
Sie musste die Ausdrucke aus seiner Tasche gestohlen haben, nachdem sie Sex gehabt hatten. AnschlieÃend musste sie sie in die eigene Tasche gesteckt haben und mit dem Taxi direkt in die VG-Redaktion gefahren sein. Die erste Ausgabe von VG war zu dem Zeitpunkt bereits im Druck, also mussten sie die Ãnderungen in der zweiten Auflage vorgenommen haben.
Unglaublich, dass jemand in alkoholisiertem Zustand noch genug Phantasie hatte, eine solche Gemeinheit zu begehen! Gar nicht zu reden von den Nerven! Die nicht veröffentlichten Ausdrucke, die Helene gestohlen hatte, hätten schlieÃlich auch falsche Informationen enthalten, hätten am früheren Abend ausgedruckt worden sein können. Doch dieses Risiko war sie eingegangen. Sie hatte einfach Joakims Ausdrucke mitgenommen und seine Artikel abgeschrieben â mit dem groÃzügigen Verweis auf Nyhetsavisen, damit im Nachhinein keine Schadensersatzklagen von ihnen kommen konnten.
»Du hast es also gesehen?« Ressortleiter Fredrik Telle stand vor ihm und zeigte auf die VG-Exemplare, die neben ihnen lagen. »Da muss etwas durchgesickert sein. Aber die Druckerei wird mir dafür büÃen. Ich werde ein Riesentheater veranstalten.«
»Du glaubst also, dass aus der Druckerei etwas durchgesickert ist?«, fragte Joakim.
»Ja, wo denn sonst? Wie sollen sie denn aus einer Zeitung zitieren, die noch nicht auf dem Markt ist?«
Joakim schwieg. Es war egal, die Druckerei würde alles leugnen. Er war wütend, wollte jedoch nicht verraten, wie dumm er gewesen war. Im Moment vertrug seine Personalakte keine Fehler mehr. Verdammt sei Helene Muus Mikalsen.
Es war Zeit für die Morgenkonferenz. Gerade als Joakim den Besprechungsraum betrat, klingelte sein Handy. Es war seine Mutter.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass Kriminelle hinter ihr her sind?«
»Wie bitte?«
»Agnes konnte ja nicht lügen, als man im Frauenhaus nachgefragt hat. Aber so ein Risiko kann das Frauenhaus nicht eingehen. Man will sie nicht länger dort haben. Andere Frauen könnten dadurch in Gefahr geraten. Gestörte Partner sind das eine, aber Schläger aus Oslos Unterwelt noch mal eine ganz andere Nummer. Die könnten das ganze Frauenhaus auffliegen lassen. Das ist eine ernste Angelegenheit.«
»Tut mir leid, so weit habe ich nicht gedacht.«
»Man hat mich aufgefordert, sie abzuholen«, sagte Ellen Lund. »Ich bin jetzt auf dem Weg dorthin. Später komme ich mit ihr in die Redaktion. Hör mal zu, Joakim, ihr müsst eure Chefs davon in Kenntnis setzen. Ihr braucht Hilfe.«
Eine Stunde später stand Agnes in Joakims Büro. Sie hatte sich die groÃe Kapuze bis tief in die Stirn gezogen, wahrscheinlich um ihr Gesicht vor den Kollegen zu verbergen.
»Schön, dich zu sehen«, meinte Joakim lächelnd, als sie sich in der Kriminalredaktion gegenübersaÃen.
Sie blieben nicht lange allein, kurz darauf tauchte die Nachrichtenchefin auf. Sie erstarrte, als sie Agnesâ Gesicht sah. »Mein Gott, Mädchen, was ist dir denn passiert?«
Ãber Agnesâ rechte Wange zog sich eine fünf Zentimeter lange entzündete Wunde. Agnes schaffte es nicht, ihr zu antworten. Joakim guckte schuldbewusst. Hoff sah ihn scharf an.
»Habt ihr mir etwas zu sagen?«
Schweigen.
»Etwas, das ich wissen sollte?«
Die beiden Journalisten nickten.
»Wir setzen dieses Gespräch in meinem Büro fort«, sagte Katarina Hoff.
Auf dem Weg in ihr
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