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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Ärger.« Ich hätte ihr eigentlich eine Standpauke halten sollen, aber ich musste einfach lachen.
    Die Tür öffnete sich, und Cassie kam von draußen herein, stopfte sich ihre Zigaretten in die Jeanstasche. Sie sah mir kurz in die Augen, warf Rosalind einen Blick zu und schob sich dann an uns vorbei die Treppe hoch.
    Rosalind biss sich auf die Lippe und sah mich besorgt an. »Ihre Partnerin ist sauer, weil ich hier bin, stimmt’s?«
    »Na, das geht sie nichts an«, sagte ich. »Tut mir leid.«
    »Ach schon gut.« Rosalind brachte ein kleines Lächeln zustande. »Sie hat mich von Anfang an nicht gemocht, oder?«
    »Detective Maddox hat nichts gegen dich. Das eben hatte nichts mit dir zu tun.«
    »Haben Sie sich gestritten?«, fragte sie zaghaft.
    »Gewissermaßen«, sagte ich. »Ist eine lange Geschichte.«
    Ich hielt ihr die Tür auf, und wir gingen über das Kopfsteinpflaster in den Park. Rosalinds Stirn war nachdenklich in Falten gelegt. »Ich finde es schade, dass sie mich nicht leiden kann. Ich bewundere sie nämlich wirklich. Ist bestimmt kein leichter Job für eine Frau.«
    »Es ist an und für sich kein leichter Job, Punkt«, sagte ich. Ich hatte keine Lust, über Cassie zu sprechen. »Wir kommen klar.«
    »Ja, aber für eine Frau ist es anders«, erwiderte sie leicht vorwurfsvoll.
    »Wieso?« Sie war so jung und ernsthaft; ich wusste, sie wäre gekränkt, wenn ich lachen würde.
    »Na, zum Beispiel ... Detective Maddox ist doch mindestens dreißig, nicht? Sie will bestimmt bald heiraten und Kinder kriegen und so. Frauen können es sich nicht leisten, so lange zu warten wie Männer. Und als Detective ist es bestimmt schwierig, eine feste Beziehung zu führen, oder? Das setzt sie bestimmt stark unter Druck.«
    Ein beklommenes Gefühl meldete sich in meiner Magengegend. »Ich glaube nicht, dass Detective Maddox vom Mutterglück träumt«, sagte ich.
    Rosalind blickte nachdenklich und nagte an der Unterlippe. »Vermutlich haben Sie recht«, sagte sie vorsichtig. »Aber wissen Sie, Detective Ryan ... manchmal übersieht man bei einem Menschen, dem man nah ist, schon mal gewisse Dinge. Andere sehen sie, aber man selbst nicht.«
    Das Gefühl im Magen wurde unangenehmer. Ich hätte am liebsten nachgefragt, was genau sie bei Cassie gesehen hatte, was mir entgangen war. Aber die vergangene Woche hatte mir eindringlich vor Augen geführt, dass es besser ist, gewisse Dinge im Leben nicht zu wissen. »Detective Maddox’ Privatleben geht mich nichts an«, sagte ich. »Rosalind ...«
    Aber sie war schon davongeeilt, einen der kleinen gepflegt verwilderten Wege hinunter, die den Rasen umgeben, und rief über die Schulter: »Oh, Detective Ryan, schauen Sie mal! Ist das nicht schön?«
    Ihr Haar tanzte im Sonnenlicht, das durch die Blätter fiel, und ich lächelte trotz allem. Ich folgte ihr den Weg hinunter – es war ohnehin besser, wenn wir bei diesem Gespräch ungestört waren – und holte sie an einer einsamen kleinen Bank unter überhängenden Zweigen ein, Vogelgezwitscher in den Büschen um uns herum. »Ja«, sagte ich, »es ist schön. Sollen wir uns hier unterhalten?«
    Sie setzte sich auf die Bank und schaute mit einem glücklichen kleinen Lächeln hinauf in die Bäume. »Unser geheimer Garten.«
    Es war idyllisch, und ich wollte die Stimmung nicht verderben. Einen Moment lang spielte ich sogar mit dem Gedanken, das Thema, das der eigentliche Grund unseres Treffens war, gar nicht anzuschneiden und stattdessen nur ein bisschen mit ihr zu plaudern – wie es ihr ging, wie herrlich das Wetter war – und sie wieder nach Hause zu schicken; ein paar Minuten lang nur ein Mann zu sein, der in der Sonne sitzt und sich mit einem hübschen Mädchen unterhält.
    »Rosalind«, sagte ich, »ich muss dich was fragen. Es ist keine leichte Frage, und ich wünschte, ich könnte es dir irgendwie leichter machen, aber das geht leider nicht. Ich würde das nicht fragen, wenn es sich vermeiden ließe. Ich brauche deine Hilfe. Meinst du, du schaffst das?«
    Irgendetwas huschte über ihr Gesicht, irgendeine heftige Emotion, aber ich konnte nicht sagen, was, dafür war es zu schnell wieder verschwunden. Sie umklammerte die Vorderkante der Bank mit beiden Händen, um sich zu wappnen. »Ich versuch’s.«
    »Dein Vater und deine Mutter«, sagte ich mit möglichst sanfter und ruhiger Stimme. »Hat einer von ihnen dir oder deinen Schwestern je wehgetan?«
    Rosalind schnappte nach Luft. Sie hob eine Hand an den Mund und starrte mich mit

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