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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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werden. Bei dem Gedanken an eine Beziehung mit der damit verbundenen Verantwortung und den Schwierigkeiten hätte ich mich am liebsten ganz klein zusammengerollt und gewinselt.
    Ich war so müde, dass ich das Gefühl hatte, meine Füße auf dem Asphalt gehörten zu jemand anderem. Der Wind sprühte mir Nieselregen ins Gesicht, und ich dachte mit wachsendem Entsetzen an all die Dinge, die ab jetzt unmöglich wären: mit Cassie die ganze Nacht durchzechen, ihr erzählen, wenn ich eine Frau kennengelernt hatte, auf ihrem Sofa übernachten. Ich würde Cassie nie wieder einfach nur als Cassie sehen können, als eine von uns, nur eben erheblich hübscher. Nicht mehr, seit ich sie so erlebt hatte wie letzte Nacht. Jeder sonnige vertraute Fleck unserer gemeinsamen Landschaft hatte sich in ein dunkles Minenfeld verwandelt, voller tückischer Nuancen und Implikationen. Ich musste daran denken, wie sie noch vor wenigen Tagen das Feuerzeug aus meiner Jackentasche gefischt hatte, als wir im Burggarten saßen. Sie hatte dafür nicht mal ihren Satz unterbrochen, und ich hatte die Geste so genossen, diese sichere, gedankenlose Vertrautheit, die Selbstverständlichkeit.
    Ich weiß, es klingt unglaublich, zumal jeder, angefangen bei meinen Eltern bis hin zu einem Volltrottel wie Quigley, es erwartet hatte, aber ich hatte es absolut nicht kommen sehen. Gott, waren wir selbstgefällig gewesen: wahnsinnig arrogant in unserer Überzeugung, dass wir die Ausnahme von der uralten Regel waren. Ich schwöre, ich legte mich mit der Unschuld eines Kindes in ihr Bett. Cassie neigte den Kopf, um ihre Haarspangen herauszunehmen, und verzog das Gesicht, als sie sich verhedderten. Ich stopfte wie immer meine Socken in die Schuhe, damit Cassie am nächsten Morgen nicht darauf ausrutschte. Ich weiß, Sie denken, unsere Naivität war Absicht, aber wenn Sie mir von allem, was ich Ihnen erzähle, nur eines glauben können, dann bitte das: Keiner von uns beiden wusste es.
    Als ich in Monkstown ankam, hatte ich noch immer keine Lust auf zu Hause. Ich ging nach Dun Laoghaire und setzte mich auf eine Mauer am Ende des Piers, schaute zu, wie sich in Tweed gekleidete Pärchen beim Sonntagsspaziergang fröhlich begrüßten. Ich stand erst auf, als es dunkel wurde und der kalte Wind mir durch den Mantel drang und ein Streifenpolizist mich misstrauisch beäugte. Aus irgendeinem Grund dachte ich daran, meinen alten Freund Charlie anzurufen, aber ich hatte seine Nummer nicht im Handy gespeichert, und ich wusste ohnehin nicht, was ich ihm sagen wollte.

    In der Nacht schlief ich wie ein Stein. Als ich am nächsten Morgen ins Büro kam, war ich noch immer ganz verschlafen, und der Raum kam mir seltsam vor, irgendwie anders, in kleinen, unauffälligen Details, die ich nicht hätte benennen können, als wäre ich durch einen Spalt in eine parallele, feindliche Realität gerutscht. Cassie hatte die alte Fallakte ausgebreitet auf dem Tisch liegen lassen. Ich setzte mich und versuchte zu arbeiten, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Am Ende jedes Satzes hatte ich den Anfang vergessen und musste wieder von vorn anfangen.
    Als Cassie kam, waren ihre Wangen vom Wind gerötet und die Locken quollen wild unter einer kleinen, roten Schottenmütze hervor. »Na du«, sagte sie. »Alles klar?«
    Sie wuschelte mir im Vorbeigehen mit der Hand durchs Haar, und es geschah unwillkürlich: Ich zuckte zusammen und spürte, wie ihre Hand einen Augenblick erstarrte, ehe sie weiterging.
    »Gut«, sagte ich.
    Sie hängte ihre Tasche an die Stuhllehne. Ich konnte aus den Augenwinkeln erkennen, dass sie mich betrachtete. Ich hielt den Kopf gesenkt. »Die Patientenakten von Rosalind und Jessica kommen über Bernadettes Fax rein. Sie sagt, wir können sie in ein paar Minuten abholen, und wir sollen doch bitte das nächste Mal unsere eigene Faxnummer angeben. Und du bist heute Abend dran mit Kochen, aber ich hab nur Hähnchen da, also wenn du und Sam was anderes wollt ...«
    Ihre Stimme klang zwanglos, aber im Unterton schwang eine zaghafte Frage mit. »Ach weißt du, ich kann heute Abend nicht«, sagte ich. »Ich hab einen Termin.«
    »Ach so. Okay.« Cassie zog die Mütze vom Kopf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Dann vielleicht ein Bierchen, je nachdem, wann wir hier rauskommen?«
    »Ich kann den ganzen Abend nicht«, sagte ich. »Tut mir leid.«
    »Rob«, sagte sie nach einem Augenblick, aber ich schaute nicht auf. Eine Sekunde lang dachte ich, sie würde trotzdem

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