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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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immer, immer, wenn es drauf ankam. Wir konnten quälende Stunden damit verbringen, nur das absolut Notwendigste zu reden, und das mit tonloser Stimme und abgewandtem Blick. Doch sobald O'Kelly damit drohte, uns Sweeney und O'Gorman wegzunehmen, waren wir wieder die Alten. Ich zählte methodisch sämtliche Gründe auf, warum wir nach wie vor Sonderfahnder brauchten, während Cassie mir versicherte, der Superintendent wisse schließlich, was er tue, und schulterzuckend hoffte, dass die Medien bloß nicht davon erführen. Wenn sich die Tür dann hinter ihm schloss und wir wieder allein waren (oder allein mit Sam, der nicht zählte), endete das eingeübte Zusammenspiel schlagartig, ich wandte mich ungerührt von ihrem blassen, verständnislosen Gesicht ab und zeigte ihr mit der Herablassung einer gekränkten Katze die kalte Schulter.
    Ich war nämlich, obwohl ich mir selbst nicht erklären kann wieso, ehrlich davon überzeugt, dass mir auf subtile, aber unverzeihliche Art und Weise Unrecht getan worden war. Wenn sie mich verletzt hätte, hätte ich ihr ohne groß nachzudenken vergeben, aber dass sie verletzt war, das konnte ich ihr nicht verzeihen.

    Die Analyseergebnisse der Blutflecken an meinen Schuhen und des Bluttropfens auf dem Altarstein mussten jeden Tag eintreffen. In dem Unterwassernebel, durch den ich mich tastete, war das eines der wenigen Dinge, die ich noch klar im Kopf hatte. Praktisch jede andere Spur war im Sande verlaufen. Mehr war mir nicht geblieben, und ich klammerte mich mit grimmiger Verzweiflung daran. Ich war mir jenseits jeder Logik sicher, dass wir nur eine DNA-Übereinstimmung brauchten, und alles andere würde sich mit der sanften Präzision von Schneeflocken ineinanderfügen, der Fall, beide Fälle würden sich vor mir ausbreiten, perfekt und strahlend.
    Im Hinterkopf war mir klar, dass wir dann Adam Ryans DNA zum Vergleich brauchten und Detective Rob höchstwahrscheinlich in einer skandalgewürzten Rauchwolke verschwinden würde. Aber damals fand ich den Gedanken gar nicht schlecht. Im Gegenteil: Mitunter freute ich mich mit einer dumpfen Erleichterung darauf. Irgendwie sah ich darin den einzigen oder zumindest den einfachsten Ausweg für mich, zumal ich wusste, dass ich weder den Mumm noch die Energie hatte, mich aus dem furchtbaren Schlamassel selbst zu befreien.
    Sophie, die aus Überzeugung so viel wie möglich gleichzeitig erledigt, rief mich aus dem Auto an. »Das Labor hat angerufen«, sagte sie. »Schlechte Nachrichten.«
    »He«, sagte ich, setzte mich auf und drehte meinen Schreibtischstuhl herum, damit ich den anderen den Rücken zuwandte. »Was gibt’s?« Ich versuchte, möglichst beiläufig zu klingen, aber O'Gorman hörte auf zu pfeifen, und ein Rascheln verriet mir, dass Cassie ein Blatt Papier weglegte.
    »Die Blutproben sind nutzlos – beide, von den Schuhen und von dem Fleck, den Helen entdeckt hat.« Sie drückte wütend auf die Hupe. »Menschenskind, du Vollidiot, jetzt entscheid dich endlich, wo du hinwillst! ... Das Labor hat alles versucht, aber die DNA war schon zu stark zerstört. Tut mir leid, aber ich hatte euch ja gewarnt.«
    »Ja«, sagte ich nach einem Moment. »Das ist typisch für diesen Fall. Danke, Sophie.«
    Ich legte auf und starrte auf das Telefon. Cassie, mir gegenüber, fragte vorsichtig: »Was hat sie gesagt?«, aber ich antwortete nicht.

    An dem Abend rief ich auf dem Nachhauseweg Rosalind an. Alle Instinkte rieten mir lautstark davon ab, ihr das anzutun – ich hatte mir wirklich geschworen, sie in Ruhe zu lassen, bis sie von allein bereit war zu reden, aber sie war alles, was ich noch hatte.
    Sie kam am Donnerstagmorgen ins Präsidium, und sie wartete unten am Empfang, genau wie viele Wochen zuvor. Ich hatte halb befürchtet, sie würde es sich in letzter Sekunde anders überlegen und nicht kommen, und mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich sie in einem großen Stuhl sitzen sah, die Wange nachdenklich auf die Hand gestützt, um den Hals einen langen rosaroten Schal. Es tat gut, einen jungen und hübschen Menschen zu sehen, und erst in dem Augenblick wurde mir klar, wie erschöpft und grau und matt wir inzwischen alle aussahen. Der Schal kam mir vor wie der erste Farbtupfer seit Tagen.
    »Rosalind«, sagte ich, und sie strahlte mich an.
    »Detective Ryan!«
    »Mir ist da eben ein Gedanke gekommen«, sagte ich. »Müsstest du nicht in der Schule sein?«
    Sie warf mir einen verschwörerischen Blick zu. »Mein Lehrer mag mich. Ich krieg schon keinen

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