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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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blutunterlaufen waren. »Ich kann damit wohl kaum zu irgendwem aus meiner Familie gehen, oder? Meine Freunde sind super, aber keine Cops, und das hier ist Polizeisache. Und Cassie ... die möchte ich lieber nicht damit behelligen. Sie hat weiß Gott schon genug am Hals. Sieht in letzter Zeit furchtbar gestresst aus. Du weißt von der Sache, und ich musste einfach mit jemandem sprechen, ehe ich mich entscheide.«
    Ich war ziemlich sicher, dass auch ich in den letzten Wochen ganz schön gestresst ausgesehen hatte, doch anscheinend konnte ich es besser verbergen, als ich gedacht hatte. »Entscheiden?«, sagte ich. »Hört sich für mich nicht so an, als hättest du viele Möglichkeiten.«
    »Ich habe Michael Kiely«, sagte Sam. »Ich könnte ihm die Kassette geben.«
    »Um Gottes willen. Du wärst deinen Job los, noch ehe der Artikel gedruckt wird. Wäre wahrscheinlich sogar illegal.«
    »Ich weiß.« Er drückte die Handballen gegen die Augen. »Meinst du, ich sollte es trotzdem machen?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. Von dem Whiskey auf halbleeren Magen war mir leicht übel. Ich hatte nur noch ganz hinten im Gefrierfach Eiswürfel gefunden, und sie schmeckten unangenehm.
    »Was meinst du, was passieren würde, wenn ich es täte?«
    »Wie gesagt, du würdest rausfliegen. Vielleicht müsstest du mit einer Anklage rechnen.« Er sagte nichts. »Ich schätze, dein Onkel müsste vor einen Untersuchungsausschuss. Wenn dabei herauskäme, dass er was Unrechtes getan hat, müsste er versprechen, es nie wieder zu tun, käme für zwei Jahre auf die hinteren Bänke, und dann würde alles wieder normal laufen.«
    »Aber die Schnellstraße.« Sam rieb sich mit den Händen über das Gesicht. »Ich kann nicht mehr klar denken ... Wenn ich nichts sage, wird die Straße gebaut und die Ausgrabung zugeschüttet. Ohne dass das nötig wäre.«
    »Das passiert sowieso. Wenn du an die Presse gehst, sagt die Regierung bloß, ›Hoppla, dumm gelaufen, zu spät, die Straße noch zu verlegen‹, und macht weiter wie gehabt.«
    »Glaubst du?«
    »Ja natürlich«, sagte ich. »Keine Frage.«
    »Und Katy«, sagte er. »Darum geht’s ja eigentlich. Was, wenn Andrews sie von einem Auftragskiller hat umbringen lassen? Sollen wir ihn ungeschoren davonkommen lassen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. Ich fragte mich, wie lange er noch bleiben wollte.
    Wir saßen eine Weile schweigend da. In der Wohnung nebenan wurde eine Party gefeiert oder so: Ich konnte fröhliche Stimmen hören, ein Song von Kylie lief, eine junge Frau rief lachend: »Und ob ich euch das erzählt hab!« Heather klopfte gegen die Wand. Einen Moment lang wurde es still, dann setzte halb gedämpftes Gelächter ein.
    »Weißt du, was meine erste Erinnerung ist?«, sagte Sam. Das Lampenlicht beschattete seine Augen, und ich konnte seine Miene nicht erkennen. »Als Red ins Unterhaus einzog. Ich war noch ein kleiner Junge, vielleicht drei oder vier, aber wir sind alle nach Dublin gekommen, um dabei zu sein, die ganze Familie. Mein Dad hat mich auf seine Schultern gesetzt, damit ich was sehen konnte, und gerufen: ›Das da ist dein Onkel, mein Sohn!‹ Red stand auf den Stufen, winkte und lächelte, und ich hab geschrien: ›Der Mann ist mein Onkel!‹, und alle haben gelacht, und er hat mir zugezwinkert ... Das Foto hängt noch bei uns im Wohnzimmer.«
    Wieder trat Stille ein. Mir kam der Gedanke, dass Sams Vater über die Machenschaften seines Bruders womöglich weniger schockiert wäre, als Sam dachte, aber das wäre ihm bestenfalls ein zweifelhafter Trost.
    Sam strich sich wieder das Haar nach hinten. »Und dann ist da noch mein Haus«, sagte er. »Du weißt, dass das Haus mir gehört, nicht?«
    Ich nickte. Ich ahnte irgendwie, was kommen würde.
    »Ja«, sagte er. »Es ist ein schönes Haus – fünf Zimmer und alles. Ich war eigentlich auf der Suche nach einer Wohnung. Aber Red meinte ... na ja, für später, wenn ich mal eine Familie habe. Ich dachte, ich könnte mir nichts Anständiges leisten, aber er ... na ja.« Er räusperte sich wieder, ein durchdringendes, beunruhigendes Geräusch. »Er hat mich dem Typen vorgestellt, der die neue Siedlung baute. Er hat gesagt, sie seien alte Freunde, der Typ würde mir einen guten Preis machen.«
    »Tja«, sagte ich, »das hat er. Daran kannst du nicht mehr viel ändern.«
    »Ich könnte das Haus verkaufen, für den Preis, den ich gezahlt habe. An irgendein junges Pärchen, das sich sonst nie im Leben ein Haus leisten kann.«
    »Wieso?«,

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