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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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sanft, aber bestimmt, »wir müssen die Einzelheiten wissen.«
    »Okay. Okay.« Er rieb sich mit einer Hand unbeholfen über den Mund. »Ich hab sie ... nur einmal ... geschlagen, aber wahrscheinlich nicht fest genug, sie ist nach vorn gestolpert und hingefallen, aber sie war noch – sie hat sich umgedreht, und sie hat den Mund geöffnet, als wollte sie schreien, da hab ich – sie gepackt. Ich meine, ich hatte Angst, ich hatte total Angst, wenn sie schreit, dann ...« Seine Stimme überschlug sich fast. »Ich hab ihr mit einer Hand den Mund zugehalten, und ich wollte wieder zuschlagen, aber sie hatte ihre Hände dazwischen, und sie hat mich gekratzt und getreten und so. Wir lagen auf dem Boden, und ... und ich konnte gar nicht richtig sehen, ich hatte nur die Taschenlampe an, und die lag auf dem Tisch, das Deckenlicht hatte ich nicht angemacht. Ich hab versucht, sie festzuhalten, aber sie wollte zur Tür, sie hat sich gewunden, und sie war richtig stark – damit hatte ich nicht gerechnet, wo sie doch noch ...«
    Seine Stimme erstarb, und er starrte auf den Tisch. Er atmete durch die Nase, rasch und flach und schwer.
    »Wo sie doch noch so klein war«, sagte ich tonlos.
    Damiens Mund öffnete sich, aber es kam nichts heraus. Sein Gesicht hatte sich grünlichweiß verfärbt, die Sommersprossen traten deutlich hervor.
    »Wir können eine Pause machen, wenn Sie möchten«, sagte Cassie. »Aber früher oder später müssen Sie uns doch alles erzählen.«
    Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Keine Pause. Ich will bloß ... mir geht’s gut.«
    »Schön«, sagte ich. »Dann machen wir weiter. Sie haben ihr mit einer Hand den Mund zugehalten, und sie hat sich gewehrt.« Cassie bewegte sich, ein kleines, halb unterdrücktes Zucken.
    »Ja. Okay.« Damien schlang die Arme um den Oberkörper, die Hände tief in die Ärmel seines Pullover geschoben. »Dann hat sie sich auf den Bauch gedreht, und sie wollte zur Tür kriechen, und ich – ich hab noch einmal zugeschlagen. Mit dem Stein, gegen die Schläfe. Ich glaube, der Schlag war härter – Adrenalin oder so –, sie ist zusammengebrochen. Sie war bewusstlos. Aber sie hat noch geatmet, richtig laut, irgendwie gestöhnt, also musste ich ... ich konnte nicht nochmal zuschlagen, ich konnte es einfach nicht. Ich ...« Er war kurz davor zu hyperventilieren. »Ich ... wollte ... ihr nicht ... wehtun ...«
    »Was haben Sie dann gemacht?«
    »Da liegen ... da liegen diese Plastikbeutel auf dem Regal. Ich habe einen genommen, und ich ... ich hab ihn ihr über den Kopf gestülpt, und ich hab den Beutel gedreht bis ...«
    »Bis was?«, sagte ich.
    »Bis sie aufgehört hat zu atmen«, sagte Damien schließlich, ganz leise.
    Es trat eine längere Stille ein, nur der Wind, der unheimlich durch den Entlüftungsschacht pfiff, und der Klang des Regens waren zu hören.
    »Und dann?«
    »Dann.« Damiens Kopf wackelte ein wenig, seine Augen starrten blicklos. »Ich hab sie vom Boden aufgehoben. Ich konnte sie nicht im Fundschuppen liegen lassen, sonst hätten Sie es gleich gewusst, ich wollte sie nach draußen aufs Ausgrabungsgelände bringen. Sie war ... überall war Blut, von der Kopfverletzung. Ich hab ihr den Plastikbeutel nicht abgezogen, um nicht noch mehr Blutspuren zu hinterlassen. Aber als ich nach draußen kam, sah ich – da war Licht im Wald, wie von einem Lagerfeuer oder so. Da war irgendwer. Ich hab so eine Panik gekriegt, ich konnte mich kaum aufrecht halten, ich dachte, ich würde sie fallen lassen ... Ich meine, was, wenn mich jemand gesehen hätte?« Er drehte die Handflächen flehend nach oben. Seine Stimme brach. »Ich wusste nicht, was ich mit ihr machen sollte.«
    Er hatte die Kelle nicht erwähnt. »Und, was haben Sie gemacht?«, fragte ich.
    »Ich bin mit ihr zurück zu den Schuppen. Im Geräteschuppen liegt ein Haufen Planen, mit denen wir empfindliche Ausgrabungsbereiche abdecken sollen, wenn es regnet. Aber wir benutzen sie so gut wie nie. Ich hab sie in eine Plane gewickelt, damit keine – ich meine, ich wollte nicht ... dass Insekten ...« Er schluckte. »Und ich hab sie unter den übrigen Planen versteckt. Ich hätte sie auch einfach irgendwo draußen ablegen können, aber das wollte ich nicht, wegen der Füchse und Ratten und so, und dann wäre sie vielleicht erst nach Tagen gefunden worden. Und ich wollte sie nicht ... einfach wegwerfen . Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich hab gedacht, am nächsten Tag würde mir vielleicht einfallen, was ich tun

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