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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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gehen jetzt wieder da rein und machen mir den Fall schön wasserdicht. Und, Ryan« – mürrisch, als ich mich schon umdrehte – »gut gemacht. Ihr beide.«

    Cassie hatte Damien wieder beruhigen können. Er war immer noch ein bisschen zittrig und putzte sich andauernd die Nase, aber er schluchzte nicht mehr. »Können wir wirklich weitermachen?«, fragte sie und drückte ihm die Hand. »Wir haben’s bald geschafft, ja? Sie machen das ganz toll.« Ein jämmerliches Lächeln huschte über Damiens Gesicht.
    »Ja«, sagte er. »Tut mir leid. Alles klar.«
    »Schön. Aber sagen Sie, wenn Sie eine Pause brauchen.«
    »Okay«, sagte ich, »wir waren da stehengeblieben, als Sie nach Hause gegangen sind. Sprechen wir über den nächsten Tag.«
    »Ach so, ja. Der nächste Tag.« Damien nahm einen langen, resignierten, bebenden Atemzug. »Der ganze Tag war ein einziger Albtraum. Ich konnte vor Müdigkeit kaum aus den Augen gucken, und jedes Mal, wenn jemand in den Geräteschuppen ging, dachte ich, ich fall in Ohnmacht oder so. Und ich musste mich normal verhalten, über die Witze der anderen lachen und so tun, als wäre nichts passiert, und die ganze Zeit hab ich – an die Kleine gedacht ... Und am Abend lief nochmal das Gleiche ab, warten, bis meine Mutter eingeschlafen war, dann heimlich aus dem Haus schleichen und zu Fuß zur Ausgrabung. Wenn ich wieder das Licht im Wald gesehen hätte, ich weiß nicht, was ich getan hätte. Aber es war alles dunkel.«
    »Sie sind also noch einmal in den Geräteschuppen«, sagte ich.
    »Ja. Ich hab mir wieder Handschuhe angezogen, und dann hab ich die Kleine – rausgetragen. Sie war ... ich dachte, sie wäre steif, ich dachte, Tote würden steif, aber sie ...« Er biss sich auf die Lippe. »Sie war es nicht, nicht richtig. Aber sie war kalt. Ich wollte sie nicht anfassen ...« Er schauderte.
    »Aber Sie mussten.«
    Damien nickte und schnäuzte sich erneut. »Ich hab sie raus aufs Gelände getragen und auf den Altarstein gelegt. Weil sie da geschützt war, vor Ratten und so. Weil sie da jemand finden würde, bevor sie ... Ich hab sie so hingelegt, dass es aussah, als würde sie schlafen oder so. Ich weiß nicht, warum. Ich hab den Stein draußen weggeworfen, und ich hab den Plastikbeutel ausgespült und ihn zurückgelegt, aber die Taschenlampe konnte ich nicht finden, die lag irgendwo hinter den Abdeckplanen, und ich – ich wollte nur noch nach Hause ...«
    »Wieso haben Sie das Mädchen nicht vergraben?«, fragte ich. »Auf dem Gelände, oder im Wald?« Es wäre irgendwie naheliegend gewesen, obwohl das eigentlich keine Rolle mehr spielte.
    Damien blickte mich an. »Darauf bin ich gar nicht gekommen«, sagte er. »Ich wollte nur so schnell wie möglich von da weg. Und überhaupt – ich meine, sie einfach vergraben? Wie Abfall?«
    Und wir hatten einen vollen Monat gebraucht, um diesem Genie auf die Spur zu kommen. »Am Tag danach«, sagte ich, »haben Sie das so hingebogen, dass Sie einer von denen waren, die die Leiche entdeckt haben. Warum?«
    »Oh. Ja. Das.« Er machte eine krampfartige, kleine Bewegung, eine Art Schulterzucken. »Ich wusste – also, ich hatte zwar Handschuhe angehabt und keine Fingerabdrücke hinterlassen, aber ich wusste, wenn Sie an ihr ein Haar von mir finden würden oder eine Fluse von meinem Pullover, dann hätten Sie mich im Handumdrehen geschnappt. Deshalb musste ich sie finden. Das war verdammt nicht leicht, sie nochmal zu sehen, aber ... Den ganzen Tag hab ich mir alle möglichen Vorwände überlegt, da hochzugehen, aber ich hatte Angst, es würde verdächtig wirken. Ich war ... ich konnte einfach nicht klar denken. Ich wollte bloß, dass es vorbei ist. Aber dann hat Mark zu Mel gesagt, sie soll an dem Altarstein arbeiten.«
    Er seufzte, ein müder kleiner Laut. »Und danach ... war es sogar einfacher. Ich musste wenigstens nicht mehr so tun, als wäre alles in Ordnung.«
    Kein Wunder, dass er bei unserem ersten Gespräch irgendwie weggetreten gewirkt hatte. Allerdings nicht weggetreten genug, sonst hätten bestimmt unsere Alarmglocken geläutet. Für einen Anfänger hatte er sich clever angestellt. »Und als wir mit Ihnen gesprochen haben –«, sagte ich und hielt inne.
    Cassie und ich wechselten keinen Blick, bewegten keinen Muskel, aber die Erkenntnis schoss zwischen uns hin und her wie ein Stromschlag von einem Elektrozaun. Ein Grund, warum wir Jessicas Geschichte von dem Unbekannten im Jogginganzug so ernst genommen hatten, war der, dass Damien

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