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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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genau denselben Typen praktisch am Tatort gesehen haben wollte.
    »Als wir mit Ihnen gesprochen haben«, sagte ich nach einer minimalen Verzögerung, »haben Sie einen Mann in einem Trainingsanzug erfunden, um uns auf eine falsche Fährte zu lenken.«
    »Ja.« Damien blickte ängstlich von mir zu Cassie. »Tut mir leid. Ich dachte bloß ...«
    »Unterbrechung der Vernehmung«, sagte Cassie und verließ den Raum. Ich folgte ihr mit einem flauen Gefühl im Magen und hörte Damiens schwache, ängstliche Frage: »Moment – was ...?«, hinter uns herschweben.

    Aus irgendeinem gemeinsamen Instinkt heraus blieben wir weder auf dem Flur noch gingen wir zurück in den SOKO-Raum. Wir gingen nach nebenan, in das Vernehmungszimmer, wo Sam Mark verhört hatte. Der Tisch war noch nicht sauber gemacht worden: zerknüllte Servietten, Styroporbecher, ein Spritzer verschüttete dunkle Flüssigkeit.
    »Wahnsinn!«, sagte Cassie, eine Mischung aus Keuchen und Lachen. »Wir haben’s geschafft, Rob!« Sie warf ihr Notizbuch auf den Tisch und schlang mir einen Arm um die Schultern. Es war eine spontane Geste, aus Freude und ohne zu überlegen, aber sie war mir unangenehm. Wir hatten wie eh und je zusammengearbeitet, mit dem alten, perfekten Verständnis, uns gegenseitig auf die Schippe genommen, als wäre zwischen uns alles in bester Ordnung, aber doch einzig und allein wegen Damien und weil der Fall es verlangte – das hätte ich Cassie ja wohl nicht extra erklären müssen.
    »Sieht so aus, ja«, sagte ich.
    »Als er es endlich gesagt hat ... Mann, ich glaube, mir ist der Unterkiefer runtergeklappt. Heute Abend, wenn wir hier fertig sind, knallen die Korken.« Sie stieß einen tiefen Atemzug aus, lehnte sich gegen den Tisch und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Am besten, du holst Rosalind.«
    Ich spürte, wie meine Schultern sich anspannten. »Wieso?«, fragte ich kühl.
    »Mich kann sie nicht leiden.«
    »Ja, das ist mir klar. Wieso sollte jemand sie herholen?«
    Cassie erstarrte mitten in der Bewegung. »Rob, sie und Damien haben uns genau denselben falschen Hinweis gegeben. Das kann kein Zufall sein.«
    »Genau genommen«, sagte ich, »haben Jessica und Damien uns genau denselben falschen Hinweis gegeben.«
    »Du glaubst, Damien und Jessica stecken unter einer Decke? Ach, hör auf.«
    »Ich glaube nicht, dass überhaupt irgendwer mit irgendwem unter irgendeiner Decke steckt. Ich glaube allerdings, dass Rosalind weiß Gott genug durchgemacht hat und dass sie nie und nimmer die Komplizin bei der Ermordung ihrer Schwester war, daher sehe ich keinen Sinn darin, sie aufs Präsidium zu schleppen und ihr noch ein Trauma zu verpassen.«
    Cassie setzte sich auf den Tisch und sah mich an. In ihren Augen lag ein Ausdruck, den ich nicht ergründen konnte. »Glaubst du im Ernst«, fragte sie schließlich, »der kleine Armleuchter da drin hat sich das alles ganz allein ausgedacht?«
    »Ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht«, sagte ich, hörte den Widerhall von O’Kelly in meiner Stimme, konnte mich aber nicht bremsen. »Vielleicht hat Andrews oder einer von seinen Kumpeln ihn angeheuert. Das würde erklären, warum er der Motivfrage ausweicht: Er hat Schiss, sie knöpfen ihn sich vor, wenn er sie verpfeift.«
    »Ja klar, nur blöd, dass wir nicht eine einzige Verbindung haben zwischen ihm und Andrews –«
    »Noch nicht.«
    »Aber wir haben eine zwischen ihm und Rosalind.«
    »Hörst du schlecht? Ich hab gesagt, noch nicht. O'Kelly lässt Damiens Konto und seine Telefonverbindungen überprüfen. Sobald wir Näheres wissen, sehen wir weiter.«
    »Dann ist es zu spät; dann hat Damien sich beruhigt und sich einen Anwalt besorgt, und Rosalind hat aus den Nachrichten von seiner Festnahme erfahren und wird auf der Hut sein. Wir holen sie auf der Stelle her, und wir spielen beide gegeneinander aus, bis wir wissen, was los ist.«
    Ich dachte an Kiernans Stimme oder die von McCabe; an das schwindelerregende Gefühl, wenn mein Verstand sich losriss und ich davonschwebte, in den sanften, ungeheuer einladenden blauen Himmel. »Nein«, sagte ich, »kommt nicht in Frage. Rosalind ist zerbrechlich, Maddox. Sie ist sensibel, und sie ist nervlich am Ende, und sie hat gerade eine Schwester verloren, und sie hat keine Ahnung, warum. Und du willst sie gegen den Mörder ihrer Schwester ausspielen? Menschenskind, Cassie. Wir haben die Verantwortung, uns um das Mädchen zu kümmern.«
    »Nein, Rob«, sagte Cassie schneidend. »Dafür ist

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