Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
gestorben, ist das richtig?«
    »Ja.« Damien hob zögernd den Blick. »Fast zehn, Ende Oktober ist sein zehnter Todestag. Kann ich ... wenn wir hier fertig sind, kann ich dann, ähm, gegen Kaution raus?«
    »Darüber kann nur ein Richter entscheiden. Ist Ihre Mutter berufstätig?«
    »Nein. Sie hat diese, hab ich ja erzählt ...« Er deutete vage auf seine Brust. »Sie kriegt Berufsunfähigkeitsrente. Und mein Dad hat uns etwas Geld ... Oh Gott, meine Mutter!« Er fuhr kerzengerade auf. »Die macht sich bestimmt schon – wie spät ist es?«
    »Beruhigen Sie sich. Wir haben mit ihr gesprochen und gesagt, dass Sie uns bei den Ermittlungen helfen. Selbst mit dem Geld, das Ihr Vater hinterlassen hat, kann es nicht leicht sein, über die Runden zu kommen.«
    »Was? ... Äh, doch, doch, wir kommen klar.«
    »Trotzdem«, sagte ich, »wenn jemand Ihnen eine Stange Geld dafür bieten würde, etwas für ihn zu erledigen, wäre das doch für Sie verlockend, oder?« Sam und O’Kelly konnten mich mal: Falls Onkel Redmond Damien angeheuert hatte, musste ich das jetzt wissen.
    Damien zog ratlos die Augenbrauen hoch. »Was?«
    »Ich könnte Ihnen ein paar Leute nennen, die zig Millionen Gründe hätten, der Familie Devlin ans Leder zu wollen. Die Sache ist die, solche Leute lassen die Drecksarbeit von anderen erledigen. Gegen Bezahlung.«
    Ich hielt inne, damit Damien reagieren konnte. Er blickte nur verständnislos.
    »Wenn Sie vor jemandem Angst haben«, sagte ich so sanft ich konnte, »können wir Sie beschützen. Und wenn jemand Sie für den Mord an Katy angeheuert hat, dann sind nicht Sie der eigentliche Mörder, nicht? Sondern der Auftraggeber.«
    » Was? Sie glauben, ich hab Geld dafür genommen, dass ich ... Großer Gott! Nein!« Sein Mund klappte in ehrlicher Empörung auf.
    »Na, wenn nicht Geld der Grund war«, sagte ich, »was dann?«
    »Ich hab doch schon gesagt, ich weiß es nicht! Ich erinnere mich nicht!«
    Einen extrem unangenehmen Augenblick lang beschlich mich die Befürchtung, er könnte tatsächlich einen Teil seines Gedächtnisses verloren haben, und dann müsste ich herausfinden, wann. Ich schob den Gedanken beiseite. Wir kriegen so etwas andauernd zu hören, und ich hatte den Ausdruck in seinem Gesicht gesehen, als er die Kelle unerwähnt ließ: Das war Absicht gewesen. »Wissen Sie, ich tue hier mein Bestes, um Ihnen zu helfen«, sagte ich, »aber das geht nur, wenn Sie ehrlich zu mir sind.«
    »Aber ich bin ehrlich! Ich hab bloß –«
    »Nein, Damien, Sie sind nicht ehrlich«, sagte ich. »Und ich sag Ihnen auch, woher ich das weiß. Wissen Sie noch, die Fotos, die ich Ihnen gezeigt habe? Das eine, auf dem Katys Haut an der Schläfe runtergeklappt ist? Die Aufnahme wurde bei der Obduktion gemacht, Damien. Und die Obduktion sagt uns genau, was Sie mit dem kleinen Mädchen gemacht haben.«
    »Ich hab Ihnen doch erzählt –«
    Ich beugte mich über den Tisch, rasch, bis dicht vor sein Gesicht. »Und heute Morgen, Damien, haben wir die Kelle im Geräteschuppen gefunden. Für wie blöd halten Sie uns eigentlich? Ich sag Ihnen, was Sie verschwiegen haben: Nachdem Sie Katy getötet hatten, haben Sie ihr die Hose und die Unterwäsche runtergezogen und den Griff der Kelle in sie reingeschoben.«
    Damien legte sich die Hände seitlich an den Kopf. »Nein – ich –«
    »Und Sie wollen mir weismachen, das ist einfach so passiert? Die Vergewaltigung eines Kindes mit einer Kelle passiert nicht einfach so, nicht ohne einen verdammt guten Grund, und jetzt hören Sie auf, mich für dumm zu verkaufen, und sagen mir endlich, was der Grund war. Es sei denn, Sie sind bloß ein kranker Perverser. Sind Sie das, Damien? Ja?«
    Ich hatte ihm zu hart zugesetzt. Mit deprimierender Zwangsläufigkeit fing Damien – der schließlich einen langen Tag hinter sich hatte – wieder an zu weinen.
    Es dauerte lange. Damien, das Gesicht in den Händen, schluchzte heiser und krampfhaft. Ich lehnte an der Wand, fragte mich, was ich mit ihm machen sollte, und unternahm hin und wieder, wenn er zwischendurch Luft holte, einen kläglichen Anlauf, ihm das Motiv zu entlocken. Er antwortete nie. Ich bin nicht mal sicher, ob er mich überhaupt hörte. Im Raum war es zu heiß, und ich konnte noch immer die Pizza riechen, fett und widerlich. Ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich konnte nur an Cassie denken, an Cassie und Rosalind: ob Rosalind freiwillig mitgekommen war; ob sie sich tapfer hielt; ob Cassie jeden Augenblick an die Tür klopfen

Weitere Kostenlose Bücher