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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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dir das ganze Zeug hier an ... Hoffentlich haben wir irgendwann Gelegenheit, das mal gründlicher durchzusehen. Als ich klein war, wollte ich Archäologin werden, hab ich dir das schon mal erzählt?«
    »Höchstens eine Million Mal«, sagte ich.
    »Dann ist es ja gut, dass du ein Goldfischgedächtnis hast, nicht? Ich hab Ausgrabungen bei uns hinterm Haus gemacht, aber nur einmal eine kleine Porzellanente mit abgebrochenem Schnabel gefunden.«
    »Sieht ganz so aus, als hätte lieber ich Ausgrabungen bei uns hinterm Haus machen sollen«, entgegnete ich. Normalerweise hätte ich irgendeine blöde Bemerkung gemacht, dass die Archäologie sich glücklich schätzen konnte, während die Polizei die Leidtragende geworden war, aber ich war noch immer zu sehr neben der Spur, um mich wirklich auf ein Wortgefecht mit ihr einzulassen. »Ich hätte die weltgrößte Privatsammlung von Tonscherben haben können.«
    »Na, damit hättest du jedes Mädchen rumgekriegt«, sagte Cassie und holte ihr Notizbuch hervor.

    Damien kam unsicher herein. In einer Hand hielt er einen Plastikstuhl, in der anderen noch immer seine Teetasse. »Ich hab den hier mitgebracht ...«, sagte er und deutete mit der Tasse unbeholfen auf seinen Stuhl. »Dr. Hunt hat gesagt, Sie wollten mich sprechen?«
    »Richtig«, sagte Cassie. »Einen Platz muss ich Ihnen ja nicht anbieten, den haben Sie ja dabei.«
    Er brauchte einen Moment. Dann lachte er ein wenig und suchte unsere Gesichter ab, ob das auch in Ordnung war. Er setzte sich, machte Anstalten, seine Tasse auf den Tisch zu stellen, überlegte es sich jedoch anders und behielt sie im Schoß. Dann sah er uns mit großen treuherzigen blauen Augen an. Hier war eindeutig Cassie gefragt. Er sah aus, als wäre er daran gewöhnt, sich von Frauen bemuttern zu lassen. Er war jetzt schon erschüttert, und eine Vernehmung durch einen Mann würde ihn wahrscheinlich in einen Zustand versetzen, in dem wir überhaupt nichts Nützliches mehr aus ihm herausbekämen. Ich holte unauffällig einen Stift hervor.
    »Hören Sie«, sagte Cassie beruhigend, »ich weiß, das war ein schlimmer Schock für Sie. Lassen Sie sich Zeit, und erzählen Sie schön der Reihe nach, okay? Fangen Sie damit an, was Sie heute Morgen gemacht haben, ehe Sie zu dem Stein hochgingen.«
    Damien atmete tief durch und leckte sich die Lippen. »Wir, äh, wir haben an dem mittelalterlichen Abwassergraben gearbeitet. Mark wollte rausfinden, ob wir dem Verlauf noch ein Stück weiter folgen können. Wir sind nämlich zurzeit nur noch dabei, letzte Fragen zu klären, weil die Ausgrabung bald zu Ende ist –«
    »Wie lange geht die Ausgrabung schon?«, fragte Cassie.
    »Etwa zwei Jahre, aber ich bin erst seit Juni dabei. Ich studiere noch.«
    »Ich wollte früher auch mal Archäologin werden«, erzählte Cassie. Ich stieß ihr unter dem Tisch gegen den Fuß. Sie trat auf meinen. »Wie läuft die Ausgrabung denn?«
    Damiens Miene erhellte sich. Vor lauter Begeisterung sah er schon fast verzückt aus, es sei denn, verzückt war sein normaler Gesichtsausdruck. »Es ist toll. Ich bin so froh, dass ich mitmachen durfte.«
    »Und ich bin neidisch«, sagte Cassie. »Kann man als Freiwillige hier auch mal nur eine Woche arbeiten?«
    »Maddox«, sagte ich griesgrämig, »deinen anstehenden Berufswechsel sollten wir später besprechen.«
    »Tschuldigung«, sagte Cassie, verdrehte die Augen und grinste Damien an. Er grinste zurück, verstand sich prima mit ihr. Ich merkte, wie ich eine diffuse, unbegründbare Abneigung gegen ihn entwickelte. Mir war durchaus klar, warum Hunt ihn dazu abgestellt hatte, Besucher herumzuführen – er war der fleischgewordene PR-Traum, blaue Augen und schüchtern –, aber niedliche, hilflose Männer waren mir schon immer ein Gräuel. Vermutlich ist das die gleiche Reaktion wie die von Cassie auf leicht zu beeindruckende junge Frauen mit Piepsstimmchen, die bei Männern unweigerlich den Beschützerinstinkt wecken: eine Mischung aus Abscheu, Zynismus und Neid. »Okay«, sagte sie, »und dann sind Sie also zu dem Stein hoch ...«
    »Wir sollten das Gras und die Erde drum herum abtragen«, sagte Damien. »Der größte Teil ist letzte Woche vom Bulldozer planiert worden, aber eben nicht der Bereich direkt um den Stein, weil wir nicht riskieren wollten, dass der Bulldozer den Stein beschädigt. Deshalb hat Mark nach der Pause zu Mel und mir gesagt, wir sollten da oben die Erde weghacken.«
    »Um wie viel Uhr war das?«
    »Viertel nach elf ist die

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