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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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müssen.«
    »Sind wir jetzt Verdächtige oder so?«, wollte der Künstlerknabe wissen.
    »Nein«, sagte ich, »aber wir müssen feststellen, ob Sie uns wichtige Informationen liefern können.«
    »Ahhh«, sagte er enttäuscht und sank auf seinem Stuhl zurück. Er fing an, ein Stück Schokolade auf der CD zu verflüssigen, doch als sein Blick sich mit dem von Cassie traf, legte er das Feuerzeug weg. Ich beneidete ihn. Ich hab mir oft gewünscht, einer von diesen Menschen zu sein, für die alles, und sei es noch so schrecklich, einfach nur ein Superabenteuer ist.
    »Und noch was«, sagte ich. »Wahrscheinlich trudeln jetzt bald die ersten Reporter ein. Sprechen Sie mit keinem. Im Ernst. Wenn Sie denen irgendwas erzählen, selbst etwas, das Ihnen unwichtig erscheint, könnte das unsere Ermittlungen ernsthaft erschweren. Wir lassen Ihnen unsere Telefonnummern da, falls Ihnen später noch was einfällt, was wir wissen sollten. Noch Fragen?«
    »Und wenn die uns richtig Geld bieten, sagen wir’ne Million?«, fragte der Künstlerknabe interessiert.
    Der Raum mit den Ausgrabungsfunden war weniger beeindruckend, als ich erwartet hatte. Trotz Marks Erklärung, alles von Wert werde immer gleich weggebracht, hatte ich mir doch irgendwelche Goldpokale und Skelette und Guineen vorgestellt. Stattdessen standen da zwei Stühle, ein breiter Tisch, auf dem Zeichenpapierbögen ausgebreitet waren, und eine unglaubliche Menge an Tonscherben in Plastikbeuteln, die auf Metallregalen lagerten.
    »Funde«, sagte Hunt und schlug mit der Hand gegen ein Regal. »Ich vermute ... Nein, vielleicht ein anderes Mal. Ein paar sehr schöne Münzen und Kleiderhaken.«
    »Die schauen wir uns gern demnächst mal an, Dr. Hunt«, sagte ich. »Könnten Sie uns zehn Minuten Zeit geben und dann bitte Damien Donnelly reinschicken?«
    »Damien«, sagte Hunt und spazierte nach draußen. Cassie schloss die Tür hinter ihm. Ich fragte: »Wie um Himmels willen kann der Mann so eine Ausgrabung leiten?«, und fing an, die Zeichnungen wegzuräumen. Feine, zart schraffierte Bleistiftskizzen einer alten Münze aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Münze selbst, die an einer Seite stark gebogen und teilweise mit Erde verkrustet war, lag in einem Gefrierbeutel mitten auf dem Tisch. Ich packte alles auf einen Aktenschrank.
    »Indem er Leute wie diesen Mark einstellt«, sagte Cassie. »Ich wette, der ist ein guter Organisator. Was war mit dieser Haarspange?«
    Ich richtete die Kanten der Zeichnungen akkurat aus. »Ich glaube, Jamie Rowan hat so eine getragen.«
    »Ah«, sagte sie. »Hab ich mir schon fast gedacht. Weißt du das aus der Akte, oder hast du dich dran erinnert?«
    »Spielt das eine Rolle?« Die Frage kam patziger raus, als ich wollte.
    »Na ja, falls es eine Verbindung gibt, können wir das ja wohl kaum für uns behalten«, sagte Cassie vernünftigerweise. »Nur mal als Beispiel, wir müssen Sophie bitten, dieses Blut mit den Proben von’84 abzugleichen, und wir müssen ihr erklären, wieso. Es wäre sehr viel einfacher, wenn das mit der Spange in der Akte steht.«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es drinsteht«, sagte ich. Der Tisch wackelte. Cassie nahm ein leeres Blatt Papier, faltete es zusammen und schob es unter ein Tischbein. »Ich überprüf das heute Abend. Warte so lange, bis du mit Sophie redest, okay?«
    »Klar«, sagte Cassie. »Falls es nicht drinsteht, überlegen wir uns was anderes.« Sie ruckelte an dem Tisch – besser. »Rob, kommst du klar mit diesem Fall?«
    Ich antwortete nicht. Durchs Fenster konnte ich die Männer von der Rechtsmedizin sehen, wie sie die Leiche in eine Plastikplane einschlugen, und Sophie, die deutete und gestikulierte. Sie mussten sich kaum anstrengen, um die Trage anzuheben, die fast schwerelos wirkte, als sie sie zu ihrem Wagen trugen. Eine Böe rüttelte kräftig an der Scheibe vor meiner Nase, und ich fuhr herum. Auf einmal hätte ich fast geschrien: »Halt verdammt nochmal die Klappe«, oder »Scheiß auf den Fall, ich steig aus«, oder irgendetwas Unvernünftiges und Dramatisches. Aber Cassie stand einfach nur an den Tisch gelehnt und wartete, sah mich mit ruhigen braunen Augen an, und ich hatte schon immer ein ausgezeichnetes Bremssystem, das Talent, mich jedes Mal für das Unspektakuläre und gegen das Unwiderrufliche zu entscheiden.
    »Ich komm schon klar«, sagte ich. »Gib mir einen Tritt in den Hintern, falls ich zu launisch werde.«
    »Mit Vergnügen«, sagte Cassie und grinste. »Meine Güte, sieh

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