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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Fall, der möglicherweise mit dem alten zusammenhing, aber offen gestanden, dachte ich nicht mal eine Sekunde ernsthaft daran, zu ihm zu gehen. Ich wäre sofort von der Ermittlung abgezogen worden – niemand darf an Fällen arbeiten, in die er möglicherweise emotional verstrickt ist –, und ich hätte wahrscheinlich wieder endlose Befragungen über den Tag damals im Wald über mich ergehen lassen müssen, worin ich weder einen Nutzen für die Ermittlung noch für die Gesellschaft im Allgemeinen sah. Ich habe noch immer lebhafte, verstörende Erinnerungen an die Vernehmungen damals: Männerstimmen mit einem rauen, frustrierten Unterton, die schwach am Rande meiner Wahrnehmung nörgelten, während in meinem Kopf weiße Wolken endlos über einen gewaltigen blauen Himmel trieben und der Wind durch eine weite Grasfläche strich. In den ersten Wochen danach war das alles, was ich sehen oder hören konnte. Ich erinnere mich nicht, damals noch irgendetwas anderes empfunden zu haben, aber im Rückblick war das ein furchtbarer Gedanke – mein Kopf leergefegt, nur noch von einem Testbild gefüllt –, und jedes Mal, wenn die Detectives wiederkamen und einen neuen Anlauf nahmen, kehrte es durch irgendeinen Assoziationsmechanismus zurück und drang in meinen Hinterkopf, sodass ich mich vor lauter Angst in eine mürrische, verstockte Gereiztheit flüchtete. Und sie gaben sich alle Mühe – zuerst alle paar Monate, immer in den Schulferien, dann etwa jedes Jahr –, aber ich konnte ihnen nie auch nur das Geringste erzählen, und etwa um die Zeit, als ich mit der Schule fertig war, gaben sie es schließlich auf. Ich fand die Entscheidung genau richtig und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was es bringen sollte, das Ganze wieder von vorn aufzurollen.
    Und ich glaube, wenn ich ehrlich bin, kam die Vorstellung, dieses seltsame, schwere Geheimnis unbemerkt mit durch den Fall zu schleppen, sowohl meinem Ego als auch meinem Hang zum Romantischen entgegen. Ich glaube, damals fand ich, dass so etwas genau zu jenem rätselhaften Einzelgänger von der Castingagentur passte.

    Ich rief bei der Vermisstenstelle an, und die hatten sofort eine mögliche Identifizierung parat. Katharine Devlin, zwölf Jahre alt, ein Meter fünfundvierzig, schlank, langes dunkles Haar, braune Augen, wohnhaft Knocknaree Grove 29 (plötzlich fiel es mir wieder ein: Sämtliche Straßen in der Siedlung hießen Knocknaree Grove, Knocknaree Place, Knocknaree Lane und so weiter, weshalb ständig die Post falsch zugestellt wurde), am Vortag morgens um 10.15 Uhr als vermisst gemeldet, nachdem ihre Mutter sie wecken wollte und feststellte, dass sie verschwunden war. Zwölfjährige sind schon alt genug, um als Ausreißer in Frage zu kommen, und sie hatte das Haus offensichtlich aus freien Stücken verlassen, daher hatte die Vermisstenstelle nicht gleich reagiert, sondern noch einen Tag abgewartet. Die Pressemitteilung war schon vorbereitet und sollte rechtzeitig zu den Abendnachrichten an die Medien gehen.
    Ich war unmäßig erleichtert über die Identifizierung, auch wenn sie vorläufig war. Mir war klar gewesen, dass ein junges Mädchen – vor allem ein gesundes, gepflegtes junges Mädchen in einem so kleinen Land wie Irland – nicht einfach so tot aufgefunden wird, ohne dass irgendjemand es kennt, aber es gab so einiges an dem Fall, das mich beunruhigte, und ich denke, irgendein abergläubischer Teil von mir hatte befürchtet, dieses Kind könnte namenlos bleiben, wie aus dem Nichts aufgetaucht, und seine DNA würde mit dem Blut an meinen Schuhen übereinstimmen und noch so einiges mehr à la Akte X . Wir ließen uns von Sophie ein Foto des Mädchens geben – ein Polaroidfoto aus einem möglichst wenig verstörenden Blickwinkel aufgenommen, um es den Angehörigen zu zeigen – und gingen dann zurück zu den Containern.
    Als wir näher kamen, sprang Hunt aus einem heraus wie das Wettermännchen aus einer alten Schweizer Uhr. »Haben Sie ... Ich meine, es ist bestimmt Mord, nicht? Das arme Kind. Furchtbar.«
    »Wir beginnen mit unseren Ermittlungen«, sagte ich. »Wir müssten jetzt kurz mit Ihren Mitarbeitern sprechen. Anschließend würden wir uns gern mit der Person unterhalten, die die Leiche gefunden hat. Die anderen können wieder an die Arbeit, solange sie sich vom Fundort fernhalten.«
    »Wie sollen sie ... Gibt’s irgendwas, woran sie erkennen können – wo sie nicht hindürfen? Eine Absperrung oder so?«
    »Der entsprechende Bereich ist mit

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