Grabesgrün
Absperrband gesichert«, sagte ich. »Solange sie den nicht betreten, ist alles in Ordnung.«
»Wir bräuchten einen Raum, den wir vor Ort als Büro nutzen können«, sagte Cassie. »Auf jeden Fall bis heute Abend und vielleicht auch etwas länger. Was käme da in Frage?«
»Am besten unser Fundschuppen«, sagte Mark, der plötzlich neben uns stand. »Das Büro brauchen wir selbst, und alles andere ist ziemlich versifft.« Ein Blick durch die offene Containertür genügte – dicke Dreckschichten voll mit Stiefelabdrücken, durchhängende Bänke, wackelig aufgetürmte Arbeitsgeräte, Fahrräder und leuchtend gelbe Westen, die mich unangenehm an meine Zeit in Uniform erinnerten –, um zu verstehen, was er damit meinte.
»Wir brauchen einen Tisch und ein paar Stühle, mehr nicht«, sagte ich.
»Die Funde sind da drin«, sagte Mark und deutete mit einem Nicken auf einen Container.
»Was ist mit Damien?«, wollte Cassie von Hunt wissen.
Der Ausgrabungsleiter blinzelte hilflos. »Was ... welcher Damien?«
»Ihr Mitarbeiter Damien. Sie sagten vorhin, Mark und Damien würden normalerweise die Besucher herumführen, aber Damien sei nicht dazu in der Lage. Wieso?«
»Damien war dabei, als die Leiche gefunden wurde«, sagte Mark, während Hunt die Frage noch verarbeitete. »Hat ihm einen Schock versetzt.«
»Damien, und wie weiter?«, sagte Cassie, während sie sich Notizen machte.
»Donnelly«, warf Hunt erleichtert ein, endlich wieder auf sicherem Boden. »Damien Donnelly.«
»Und wer war noch dabei?«
»Mel Jackson«, antwortete Mark. »Melanie.«
»Gehen wir zu ihnen«, sagte ich.
Die Archäologen saßen noch immer am Tisch in ihrer improvisierten Kantine. Es waren fünfzehn bis zwanzig. Als wir hereinkamen, wandten sich ihre Gesichter der Tür zu, eifrig und synchron wie kleine Vögel im Nest. Sie waren alle jung, Anfang zwanzig, und wirkten noch jünger durch die leicht schlampigen Studentenklamotten und eine windzerzauste Naturfreakunschuld, die sicherlich illusorisch war, mich aber trotzdem an Kibbuzniks und die Waltons denken ließ. Die Frauen waren ungeschminkt und trugen Zöpfe oder Pferdeschwänze, die eher praktisch als niedlich sein sollten; die Männer waren unrasiert und sonnenverbrannt. Einer, der mit seinem arglosen Gesicht dem Albtraum eines Lehrers hätte entsprungen sein können und eine Strickmütze trug, hatte vermutlich aus Langeweile angefangen, auf einer kaputten CD alles Mögliche mit dem Feuerzeug anzukokeln. Das Ergebnis (verbogene Teelöffel, geschrumpeltes Zellophan von Zigarettenpackungen, geschwärzte Kartoffelchips) sah erstaunlich gut aus, wie ein nicht ganz so humorloses Beispiel von Kunst im öffentlichen Raum. In einer Ecke stand eine mit Essensresten besudelte Mikrowelle, und ein kleiner anarchischer Teil von mir hätte ihm am liebsten vorgeschlagen, die CD da reinzutun.
Cassie und ich redeten gleichzeitig los, aber ich setzte mich durch. Offiziell leitete sie die Ermittlung, weil sie es gewesen war, die gesagt hatte: »Wir übernehmen das«, aber so haben wir noch nie gearbeitet, und die anderen im Dezernat hatten sich daran gewöhnt, dass bei unseren Fällen am Einsatzbrett unter »Leitung« immer »M & R« stand, und aus unerfindlichen Gründen wollte ich plötzlich deutlich machen, dass ich genauso gut in der Lage war, diese Ermittlung zu leiten, wie sie.
»Guten Tag!«, sagte ich. Die meisten murmelten etwas. Unser Künstlerknabe sagte laut und munter: »Mahlzeit!«, und ich fragte mich, bei welcher Frau er Eindruck schinden wollte. »Ich bin Detective Ryan, und das ist Detective Maddox. Wie Sie wissen, wurde heute hier auf dem Gelände die Leiche eines Mädchens gefunden.«
Einer der Männer stieß laut die Luft aus und atmete geräuschvoll wieder ein. Er saß in einer Ecke, beschützend flankiert von zwei jungen Frauen, und hielt mit beiden Händen eine große dampfende Tasse umklammert. Er hatte kurze braune Locken und ein liebenswertes, offenes, sommersprossiges Gesicht, das gut in eine Boygroup gepasst hätte. Ich vermutete stark, dass er Damien Donnelly war. Die anderen wirkten betroffen (mit Ausnahme von unserem Künstlerknaben), aber nicht traumatisiert, er jedoch war unter den Sommersprossen kalkweiß, und er hielt die Tasse viel zu fest.
»Wir müssen mit jedem Einzelnen von Ihnen reden«, sagte ich. »Bitte bleiben Sie solange hier auf dem Gelände. Es könnte ein Weilchen dauern, haben Sie also bitte Verständnis, wenn Sie etwas länger bleiben
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