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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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sagte Cassie. »Wieso haben Sie dann mit ihm Schluss gemacht? Der arme Kerl ist am Boden zerstört.«
    »Aus dem gleichen Grund, weshalb Detective Ryan mit Ihnen Schluss gemacht hat. Ich hab mich zu Tode gelangweilt. Und nein, genau genommen hat er nicht getan, was ich von ihm wollte. Er hat die ganze Sache total vermasselt.« Rosalinds Stimme wurde lauter, kalt und wütend. »Er kriegt Panik und versteckt die Leiche – das hätte alles ruinieren können. Er hätte mich total in Schwierigkeiten bringen können. Wirklich, er ist einfach unmöglich. Ich hab mir sogar extra eine Geschichte für ihn ausgedacht, die er euch erzählen soll, um euch von seiner Spur abzulenken, aber nicht mal das hat er richtig hinbekommen.«
    »Der Mann im Trainingsanzug?«, sagte Cassie, und ich hörte, dass ihre Stimme etwas härter wurde: gleich, jeden Augenblick. »Doch, das hat er uns erzählt. Er war nur nicht sehr überzeugend. Wir dachten, er macht ein bisschen viel Wind wegen nichts.«
    »Sehen Sie, was ich meine? Er sollte mit ihr Sex haben, ihr mit einem Stein auf den Kopf schlagen, irgendwo auf dem Ausgrabungsgelände oder im Wald. Das wollte ich. Verdammt, einfacher geht’s doch gar nicht, das hätte selbst Damien hinkriegen können, aber nein. Nicht eins davon hat er richtig gemacht. Mein Gott, er kann von Glück sagen, dass ich nur mit ihm Schluss gemacht hab. Nach dem Murks, den er gebaut hat, hätte ich ihn euch ans Messer liefern sollen.«
    Das war’s. Mehr brauchten wir nicht. Die Atemluft entwich mir mit einem seltsamen, gequälten kleinen Laut. Sam sank gegen die Seitenwand des Vans und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. O’Kelly stieß einen langen, leisen Pfiff aus.
    »Rosalind Frances Devlin«, sagte Cassie, »ich verhafte Sie wegen Mordes an Katharine Bridget Devlin.«
    »Hände weg«, zischte Rosalind. Wir hörten Gerangel, das Knacken von Zweigen unter Füßen, dann ein rasches, heftiges Geräusch wie das Fauchen einer Katze und irgendetwas zwischen einem Klatschen und einem dumpfen Schlag, schließlich ein lautes Aufkeuchen von Cassie.
    »Was zum Henker –«, sagte O'Kelly.
    »Los«, sagte Sam, »schnell«, aber ich hechtete bereits nach dem Türgriff.
    Wir rannten, flogen förmlich um die Ecke, hasteten die Straße runter Richtung Siedlungszufahrt. Ich habe längere Beine als Sam und O'Kelly und hängte sie mühelos ab. Alles strömte irgendwie in Zeitlupe an mir vorbei, schwankende Gartentore und bunt gestrichene Haustüren, ein kleines Kind auf einem Dreirad gaffte mich mit offenem Mund an, und ein alter Mann mit Hosenträgern blickte von seinen Rosen auf. Das morgendliche Sonnenlicht träufelte gemächlich herab wie Honig, und der Knall, als jemand die Vantür zuschlug, hallte unendlich nach. Rosalind hatte vielleicht einen spitzen Ast aufgehoben, einen Stein, einen abgebrochenen Flaschenhals. So viele Dinge können töten. Ich spürte nicht, wie meine Füße auf den Asphalt trommelten. Ich raste um die Ecke am Ende der Siedlung und fegte die Straße hoch. Blätter streiften mein Gesicht, als ich auf den kleinen Weg entlang der Mauer bog, langes, nasses Gras, Fußabdrücke an schlammigen Stellen. Ich hatte das Gefühl, als würde ich mich auflösen, die Herbstbrise strömte kühl und süß zwischen meinen Rippen hindurch und in meine Adern, verwandelte mich von Erde in Luft.
    Ich sah sie an der nächsten Ecke, wo die Felder an den letzten Streifen Wald grenzten, und meine Beine wurden ganz weich vor Erleichterung, weil beide standen. Cassie hielt Rosalind an den Handgelenken gepackt – ich musste kurz an den Tag im Verhörraum denken, was für starke Hände sie hatte –, aber Rosalind kämpfte, wild und entschlossen, nicht, um sich loszureißen, sondern, um sie anzugreifen. Sie trat Cassie und versuchte, sie zu kratzen, und ich sah die ruckartige Kopfbewegung, als sie ihr ins Gesicht spuckte. Ich rief etwas, aber ich glaube nicht, dass sie mich hörten.
    Hinter mir ertönten laute Schritte, dann überholte Sweeney mich im Stil eines Rugbyspielers und griff schon nach den Handschellen. Er packte Rosalind an der Schulter, riss sie herum und knallte sie gegen die Mauer. Cassie hatte sie ungeschminkt und mit Haarknoten überrascht, und zum ersten Mal sah ich unverstellt, wie hässlich sie war, ohne das sorgfältige Make-up und die kunstvoll fallenden Löckchen: Pausbacken, dünner, gieriger Mund zu einem hasserfüllten Grinsen verzogen, Augen so glasig und leer wie die einer Puppe. Sie trug ihre

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