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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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er auch in der Außenwelt Auswirkungen haben könnte. Und ich (was zum Teufel hatte ich mir bloß dabei gedacht?, fragte ich mich) würde diese Schuhe jetzt in den hektischen SOKO-Raum bringen, sie in einen wattierten Umschlag stecken und einen unserer Fahnder damit zu Sophie schicken.
    Früher oder später wäre es ohnehin passiert – Fälle von vermissten Kindern werden nie abgeschlossen, und es war nur eine Frage der Zeit, bis irgendwer auf die Idee gekommen wäre, die alten Beweismittel mit neuer Technologie zu bearbeiten. Aber falls das Labor tatsächlich DNA von den Turnschuhen nehmen konnte und vor allem, wenn die mit dem Blut auf dem Altarstein übereinstimmte, dann war das keine unbedeutende Nebenspur im Fall Devlin mehr, eine unwahrscheinliche Möglichkeit, die wir mit Sophies Hilfe ausschließen wollten, dann würde der alte Fall schlagartig wieder in den Mittelpunkt rücken. Alle, von O'Kelly aufwärts bis ganz nach oben, würden um diesen tollen, neuen Hightech-Beweis ein Riesenaufsehen machen: Die irische Polizei gibt niemals auf, kein ungelöster Fall wird je zu den Akten gelegt, die Öffentlichkeit kann sicher sein, dass wir hinter den Kulissen unauffällig, aber effektiv unsere Pflicht tun. Die Medien würden sich gierig auf die Möglichkeit eines mehrfachen Kindermörders stürzen. Und wir würden dem weiter nachgehen müssen: Wir würden DNA-Proben von Peters Eltern und Jamies Mutter brauchen, und – großer Gott – von Adam Ryan. Ich blickte nach unten auf die Schuhe und sah vor meinem geistigen Auge plötzlich das Bild eines Autos, bei dem sich die Handbremse gelöst hat und das langsam einen Berg hinunterrollt: zuerst ganz langsam, harmlos, fast belustigend, dann immer schneller, bis es zu einem unaufhaltsamen Geschoss wird.

7
    WIR BRACHTEN MARK ZURÜCK zur Ausgrabung und ließen ihn finster im Fond des Wagens schmoren, während ich mit Mel sprach und Cassie kurz die anderen Mitbewohner befragte. Als ich von Mel wissen wollte, wie sie die Nacht von Dienstag auf Mittwoch verbracht hatte, lief sie sonnenbrandrot an und konnte mir nicht in die Augen sehen, aber sie sagte, sie und Mark hätten bis spät nachts zusammen im Garten gesessen, bis sie sich irgendwann geküsst und dann die Nacht in seinem Zimmer verbracht hätten. Er hatte sie nur einmal kurz allein gelassen, keine zwei Minuten lang, um zur Toilette zu gehen. »Wir haben uns schon immer super verstanden – die anderen haben uns dauernd deswegen auf die Schippe genommen. Wahrscheinlich musste es so kommen.« Sie bestätigte auch, dass Mark manchmal nicht im Haus übernachtete, sondern im Wald von Knocknaree, wie er ihr erzählt hatte. »Ich weiß aber nicht, ob die anderen das wissen. Er redet da nicht gern drüber.«
    »Finden Sie das nicht ein bisschen seltsam?«
    Sie antwortete mit einem schwerfälligen Achselzucken und rieb sich den Nacken. »Er ist ein sehr leidenschaftlicher Typ. Das mag ich ja gerade an ihm.« Ach je, sie war so jung. Am liebsten hätte ich ihr auf die Schulter geklopft und sie vor ungeschütztem Geschlechtsverkehr gewarnt.
    Die übrigen Hausbewohner erzählten Cassie, Mark und Mel seien Dienstagabend die Letzten im Garten gewesen und am nächsten Morgen zusammen aus seinem Zimmer gekommen, sie hätten dann noch in den nächsten Stunden, bis Katys Leiche entdeckt wurde, Witze darüber gerissen. Sie sagten auch, Mark würde manchmal woanders übernachten, aber sie wüssten nicht, wo. Ihre Versionen von »leidenschaftlicher Typ« reichten von »ein bisschen durchgeknallt« bis hin zu »der reinste Sklaventreiber«.
    Wir kauften erneut in Lowrys Laden Plastiksandwiches und setzten uns zum Essen auf die Mauer der Siedlung. Mark verteilte neue Aufgaben an seine Archäologen, gestikulierte dabei ruckartig wie ein Verkehrspolizist. Ich hörte, wie Sean sich lautstark über irgendetwas beschwerte und alle anderen ihn anschrien, er solle die Klappe halten und nicht bloß faul rumstehen und endlich mit anpacken.
    »Ich schwör dir, Baker, wenn ich rauskriege, dass du sie hast, dann ramm ich sie dir hinten rein bis zum –«
    »O-oh, Sean hat PMS.«
    »Hast du schon mal bei dir im Hintern nachgesehen?«
    »Vielleicht haben die Bullen sie mitgenommen, Sean, halt mal lieber den Ball flach.«
    »An die Arbeit, Sean«, schrie Mark ihn an.
    »Ohne meine Scheißkelle kann ich nicht arbeiten!«
    »Dann leih dir eine.«
    »Hier ist eine übrig«, rief jemand. Eine Kelle wurde von Hand zu Hand durchgereicht, Licht blitzte von dem

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