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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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irgendetwas Kompliziertes anstellte. »Was ist denn?«, fragte sie, als ich nichts sagte. »Das wolltet ihr doch hören, oder? Dieselbe wie bei dem Blut von dem alten Fall. Okay, ist noch nicht sicher, aber zumindest eine mögliche Verbindung.«
    »Ja«, sagte ich. Ich spürte, dass Cassie mithörte. Ich drehte mich von ihr weg. »Das ist toll. Danke, Sophie.«
    »Wir haben unsere Proben und diese Schuhe hingeschickt, um die DNA untersuchen zu lassen«, sagte Sophie, »aber ich würde mir keine allzu großen Hoffnungen machen. Ich wette, damit ist nicht mehr viel anzufangen. Wer ist denn auch so behämmert und lagert Blut in einem stinknormalen Keller ?«

    Einer wortlosen Übereinkunft folgend, ging Cassie dem alten Fall nach, während ich mich auf die Devlins konzentrierte. McCabe war vor einigen Jahren gestorben, Herzinfarkt, aber sie suchte Kiernan auf. Er war Rentner und lebte in Laytown, einem kleinen Vorort ein Stück weiter die Küste rauf. Er war Mitte siebzig, hatte ein rotwangiges, freundliches Gesicht und die gemütlich nachlässige Figur eines heruntergekommenen Rugbyspielers, aber er nahm Cassie mit an den breiten, menschenleeren Strand, wo er ihr auf einem langen Spaziergang, begleitet von den Schreien der Möwen und Brachvögel, alles erzählte, was er von dem Knocknaree-Fall in Erinnerung hatte. Er habe zufrieden gewirkt, sagte Cassie an jenem Abend, während sie das Feuer anzündete, ich Senf auf Ciabatta-Brötchen strich und Sam den Wein eingoss. Er war Hobbyschreiner, auf seiner abgetragenen Hose war Sägemehl, und ehe er hinausging, hatte seine Frau ihm einen Schal um den Hals gebunden und einen Kuss auf die Wange gedrückt.
    Aber an den Fall erinnerte er sich noch haargenau. In der gesamten kurzen und wechselhaften Geschichte Irlands als Nation waren insgesamt nur eine Handvoll Kinder verschwunden und nie wieder aufgetaucht, und Kiernan hatte sich nie verziehen, dass ihm zwei davon anvertraut worden waren und er sie im Stich gelassen hatte. Die Suchaktion, so erzählte er Cassie (ein wenig trotzig, wie sie sagte, als hätte er dieses Gespräch schon viele Male in Gedanken durchgespielt), war gewaltig gewesen: Hunde, Hubschrauber, Taucher. Polizisten und Freiwillige hatten Wald und Berge und Felder in alle Richtungen durchkämmt, über Wochen und von frühmorgens bis spätabends. Sie hatten Spuren bis nach Belfast und Kerry und sogar Birmingham verfolgt. Und die ganze Zeit über hatte in Kiernans Kopf eine leise beharrliche Stimme geflüstert, dass sie in der falschen Richtung suchten, dass die Antwort irgendwo direkt vor ihrer Nase lag.
    »Was hat er für eine Theorie?«, fragte Sam.
    Ich legte das letzte Steak auf die Brötchen und reichte die Teller herum. »Später«, sagte Cassie zu Sam. »Iss erst mal. Kommt schließlich nicht oft vor, dass Ryan was macht, was man wirklich genießen kann.«
    »Du hast es hier mit zwei überaus fähigen Männern zu tun«, erklärte ich. »Wir können essen und gleichzeitig zuhören.« Ich hätte mir die Geschichte lieber zuerst unter vier Augen erzählen lassen, aber bei Cassies Rückkehr aus Laytown war es dafür zu spät gewesen. Schon allein der Gedanke daran hatte mir den Appetit verdorben. Die Sache selbst würde da keinen großen Unterschied machen. Außerdem sprachen wir immer beim Essen über den Fall, und wenn es nach mir ging, sollte heute nichts anders sein als sonst.
    »Ich bin beeindruckt«, sagte Cassie. »Okay« – ihre Augen glitten kurz zu mir rüber, und ich sah weg – »Kiernans Theorie war, dass sie Knocknaree nie verlassen haben. Ich weiß nicht, ob ihr euch daran erinnert, aber da war noch ein drittes Kind ...« Sie beugte sich zur Seite, um in ihrem Notizbuch nachzusehen, das auf der Armlehne des Sofas lag. »Adam Ryan. Er war an dem Nachmittag mit den beiden anderen zusammen und wurde nach ein paar Stunden Suche im Wald gefunden. Keine Verletzungen, aber er hatte Blut in den Schuhen und stand unter Schock. Er konnte sich an nichts erinnern. Kiernan meint, was auch immer passiert ist, es muss entweder im Wald oder ganz in der Nähe passiert sein, wie hätte Adam sonst dahin zurückkommen können? Er meint, irgendwer – jemand aus der Gegend – hatte die Kinder schon eine Weile beobachtet. Der Mann hat sie im Wald angesprochen, sie vielleicht in sein Haus gelockt und dann angegriffen. Wahrscheinlich hatte er nicht vor, sie umzubringen. Vielleicht wollte er sie unsittlich berühren, und irgendwas ist schiefgelaufen. Irgendwann

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