Grabeskaelte
Vater dann eine zweite, sein Leben verändernde Lektion. Diesmal war es kein Tier, sondern ein Mensch, seine Frau, der er das Lebenslicht ausblies. Sein Vater war dazugekommen, als sie ihn mit einem anderen Mann betrog. Den Liebhaber schlug er krankenhausreif. Dann widmete er sich seiner Frau. Zuerst prügelte er in seinem blinden Zorn auf sie ein. Danach würgte er sie so lange, bis sie sich nicht mehr rührte.
Unbemerkt war er damals ins Zimmer geschlüpft und wurde so Zeuge dieser grausigen Tat. Sein Vater entdeckte ihn erst, als er aus dem Schlafzimmer taumelte. Aufgebracht stürzte er sich auf ihn.
„Sieh mich an“, brüllte er, „sieh mich an und hör mir zu: Die alte Schlampe hat es nicht besser verdient. Was muss sie sich auch mit fremden Kerlen abgeben. Ich bin ihr anscheinend nicht mehr gut genug. Aber da hat sie sich getäuscht! So einfach lass ich mich nicht abservieren. Ich bin ihr Mann und somit der einzige, der ein Recht auf sie hat, sonst keiner! Aber bald gehört sie mir wieder ganz allein.“
Mit Augen, aus denen der Wahnsinn sprach, zerrte er ihn hinter sich her. In der Küche angelangt, nahm er das Brotmesser aus der Schublade. Ihn noch immer hinter sich herschleifend, rannte er damit zurück ins Schlafzimmer.
„Pass genau auf, was ich jetzt tue!“ Mit diesen Worten riss er seiner Frau das Nachthemd vom Leib und legte mit nur wenigen Schnitten ihr Herz frei. Kurze Zeit später lag der schwammige, männerfaustgroße, vor Blut triefende Klumpen in seiner Hand. Triumphierend hielt er ihn ihm unter die Nase.
„Schau her, schau es dir genau an“, flüsterte er ihm beschwörend zu: „Das ist das Herz deiner Mutter. Ich habe es aus ihrem sündigen Leib befreit. Nun gehört sie wieder mir ganz allein. Mit ihrem Herzen habe ich für alle Zeit Macht über sie. Denn in ihrem Herzen wohnt ihre Seele.“
Bevor er protestieren konnte, drückte er es ihm in die Hand, holte ein Einmachglas und eine Flasche mit Spiritus. Dann konservierte er vor seinen Augen Mutters Herz für die Ewigkeit. Als er sein Werk beendet hatte, hielt er ihm das Glas unter die Nase.
„Hier, ich schenke es dir. Verstecke es gut! Und wann immer du es dir ansiehst, denk daran, was ich dir gesagt habe. Von nun an gehört sie uns ganz allein, nur dir und mir.“
Trotz der Endgültigkeit seines Tuns hatten seines Vaters Worte für ihn dennoch etwas eigentümlich Tröstendes an sich. Damit, dass er seiner Mutter Herz und somit ihre Seele besaß – es fiel ihm nicht ein, die Worte seines Vaters anzuzweifeln – war für ihn ihr Tod nicht das Ende. Es war vielmehr eine neue Form des Weiterbestehens.
Wenig später kam die Polizei und verhaftete seinen Vater. Er bekam lebenslänglich. Die Familie seiner Tante, Mutters Schwester, nahm sich seiner an. Über das, was geschehen war, wurde nie wieder gesprochen. Kein Mensch, der ihm von nun an begegnete, kannte seine Geschichte und das war gut so.
Seinen zweiten Mord hatte er nicht geplant. Er ergab sich vielmehr aus einer zwingenden Notwendigkeit heraus. Warum auch hatte Kirstin versucht ihn zu erpressen. Dabei lief es doch prächtig zwischen ihnen. Ihre Dienste in Anspruch zu nehmen war zwar nicht gerade billig, dafür aber war sie umso williger. Solange genug Geld floss, erfüllte sie ihm alle seine abartigen sexuellen Wünsche. Bei ihr musste er sich nicht verstellen, ihr konnte er sein wahres Gesicht zeigen, ohne es dabei zu verlieren. Eine Zeit lang hatte er den Eindruck, dass ihr gefiel, was er mit ihr trieb. Ihre Jugend erregte ihn. Er verglich sie gerne mit einer erblühenden Knospe, deren süßen Nektar zu kosten ihn bis zur Ekstase treiben konnte. Doch dann hatte sie einen Fehler gemacht. Sie hatte versucht ihn zu erpressen. Was danach geschah, hatte sie sich ganz allein zuzuschreiben. Er musste sie loswerden und zwar so schnell wie möglich. Nachdem er sich einen Plan zurechtgelegt hatte, verabredete er sich an einem Sommerabend mit ihr im Gartenhaus ihrer Eltern. Dort, das wusste er, empfing sie neben ihm auch all ihre anderen zahlungskräftigen Kunden. Um sie in Sicherheit zu wiegen, hatte er eine Tasche mit Geld dabei. Während sie die Scheine zählte trat er unbemerkt hinter sie. Für Sekunden blitzte eine Kaninchendrahtschlinge im Licht auf. Alles Weitere geschah so blitzartig, dass Kirstin nicht die geringste Chance hatte, sich zu wehren. Der Draht schnitt sich in ihren Hals, ihr hübsches Gesicht quoll auf, die Wangen wurden vom Blutstau rot, dann dunkel. Jeder
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