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Grabeskaelte

Grabeskaelte

Titel: Grabeskaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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Aber heute sieht die Welt schon wieder viel freundlicher aus. Ich denke, wir sollten unsere Arbeit nicht zu verbissen angehen. Mit Gewalt hat sich schließlich noch kein Fall lösen lassen. Hast du noch ein Bier?“ Wenig später prosteten sie einander zu.

11
    In all den Jahren war ihm noch nie ein Fehler unterlaufen. Seine Opfer zu belauern und mit ihnen zu spielen, als seien es Marionetten deren Fäden er in der Hand hielt, bereitete ihm ein höllisches Vergnügen.
    Bei Diddi hatte es ihm gefallen, die Fäden einfach zu durchtrennen und seinem Leben ein Ende zu setzen. Strafe musste schließlich sein. Denn Diddi hatte sich genommen, was für ihn bestimmt war. Damit hatte er sein Schicksal besiegelt. Von da an war alles Weitere nur noch eine Frage der Zeit und der günstigen Gelegenheit. Seine Mühlen mochten langsam mahlen, dafür aber unaufhaltsam. Bei ihm in Ungnade zu fallen, konnte tödliche Konsequenzen haben.
    Er versuchte sich zu erinnern, wie lange sein Freund Diddi bereits tot war und kam auf über dreißig Jahre.
    Es war im Hochsommer. Wie schon in den vorangegangenen Jahren fuhren sie auch diesmal gemeinsam zur Kirschernte aufs Land. Dort besaßen die Eltern seines Freundes ein großes Bauerngut. Um die Ställe und das Vieh kümmerte sich Bodo, Diddis ältester Bruder. Zu dem Anwesen gehörte auch eine mehrere Hektar große Obstplantage. Zur Erntezeit war man froh über jeden Helfer. Die Kirschbäume, alt und ausladend, standen im hinteren Teil des Gartens. Ihm lief noch heute das Wasser im Mund zusammen, wenn er an die saftigsüßen Herzkirschen dachte.
    Sie brauchten ein ganzes Wochenende, um die zahlreichen Bäume abzuernten. Meist waren sie allein zugange, wie auch in dem Jahr. Er erinnerte sich. Eine Kuh kalbte, es gab Komplikationen und alle, außer ihnen beiden hatten sich im Stall versammelt. Die Chance, auf die er schon so lange gewartet hatte, war endlich gekommen.
    Die Sonne brannte erbarmungslos von einem stahlblauen Himmel herab. Abgeschirmt durch die Blätterfülle des Baumes, auf dem er seinen Beobachtungsposten bezogen hatte, konnte er sehen, wie Diddi den neben ihm stehenden Baum ansteuerte. Nachdem er die Leiter angelegt hatte, bestieg er sie mit dem Korb in der Hand. Dabei schwankte er leicht hin und her. Die Leiter knarrte unter seinem Gewicht. Mit einer Hand hielt er sich an ihr, mit der anderen am Baum fest. Ein Schritt, zwei Schritte, drei. Während er mit der Hand nach den Zweigen, an denen die Kirschen hingen griff, bemühte er sich, das Gleichgewicht zu halten. Er war so in seine schweißtreibende Arbeit vertieft, dass er den Schatten hinter sich nicht bemerkte. Und dann lag er plötzlich am Boden, die Leiter unter seinen Füßen war verschwunden. Sein Kopf und sein Hals waren in einem unnatürlichen Winkel abgeknickt. Ein Sturz aus so geringer Höhe und doch so folgenschwer. Aber es war natürlich nicht die Höhe des Falls, die ausschlaggebend war. Es war die Art des Sturzes, und wie er auf dem Boden aufschlug. Ein viel zu großer Mann, um auf so einer wackligen Leiter das Gleichgewicht zu halten. Er hätte es besser wissen müssen. Aber Diddi war schon immer von geradezu entwaffnender Naivität gewesen.
    Breit lächelnd kniete er neben seinem ersten Opfer, um dessen nicht mehr vorhandenen Puls zu fühlen. Besser hätte es für ihn nicht laufen können. Für ein paar Augenblicke gab er sich einem nie gekannten Glücksrausch hin, dann lief er zu den Ställen um Hilfe zu holen.
    Wie schnell und einfach sich doch ein Menschenleben auslöschen ließ. Plötzlich musste er an seinen Vater denken. Er erinnerte sich noch genau des Tages, als dieser ihn an die Hand nahm, um ihn die enge Stiege zum Taubenschlag hinauf vor sich herzuschieben. In dem engen schrägen Holzverschlag dort oben war es düster und die stickige Luft war erfüllt vom Gurren der Vögel. Es roch nach Stroh und altem Holz. Ein verirrter Sonnenstrahl, in dem tausende von Staubteilchen wirbelten, fiel schräg nach unten auf den mit Kot übersäten Boden. Sein Vater fing wahllos eine der Tauben und hielt sie ihm hin. Obwohl er damals erst vier Jahre alt war, stand ihm noch immer deutlich vor Augen, wie er ihr über den Kopf strich. Noch deutlicher allerdings war die Erinnerung daran, was dann geschah. Ohne die geringste Vorwarnung packte sein Vater die Taube und drehte ihr den Kopf ab. Überall war plötzlich Blut. Ihm war schlecht. Sein Vater jedoch lächelte zufrieden.
    Nur wenige Jahre später erteilte ihm sein

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