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Grabeskaelte

Grabeskaelte

Titel: Grabeskaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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während der Rückfahrt mit dem Lesen beginnen.
    Schon eine Stunde später saß er im Zug. Laut Fahrplan würde er kurz nach zwölf Uhr ankommen. Er überlegte sich gerade, wie er am schnellsten an das zu dem Schlüssel in seiner Tasche gehörende Schließfach gelangen könnte, als sein Handy klingelte. Rüdiger war am Apparat und er klang besorgt. „Volltreffer, du hattest Recht mit deinem Verdacht. Hinter einer der Nummern verbarg sich der Verlag, der Sigrun Koch gehörte, hinter der anderen der Starol-Verlag. Leider haben die Nachforschungen etwas länger gedauert. Ich hatte Probleme, die Nummern herauszufinden, weil beide Anschlüsse mittlerweile nicht mehr existieren. Eine dritte der Nummern betrifft einen weiteren alteingesessenen Leipziger Verlag. Ich habe bereits mehrmals versucht dort anzurufen. Aber bis jetzt hatte ich noch kein Glück. Wahrscheinlich ist es noch zu früh. Ich melde mich sobald es etwas Neues gibt.“
    „Mach das. Bei mir tut sich übrigens auch was. Momentan sitze ich im Zug nach Leipzig.“
    „Weshalb fährst du denn mit dem Zug und nicht mit deinem Auto? Das ist doch viel umständlicher.“
    Ohne auf Rüdigers Kommentar einzugehen teilte Henning ihm mit, was er erfahren hatte: „Senta Glaser rief mich heute Morgen an. Cora ist jedes Jahr zur Buchmesse in die Messestadt gefahren. Ihre Mutter vermutet, dass sie ihr Tagebuch dort in einem der Bahnhofsschließfächer deponiert haben könnte. Und je länger ich darüber nachdenke, umso plausibler erscheint mir das. Da ich nicht länger untätig herumsitzen wollte, habe ich mich kurzerhand entschlossen, mir persönlich ein Bild der Lage vor Ort zu machen. Eine innere Stimme sagt mir, dass ich diesmal finde, wonach ich suche.“
    „Ich hoffe, du hast Recht! Ruf mich an, sobald du etwas in Erfahrung gebracht hast.“
    Nachdem Henning aufgelegt hatte, überlegte er sich, welche Konsequenzen die soeben erfahrenen Neuigkeiten haben könnten. Da Roman Caspari heute nach Hause zurückkehren würde, schien es ihm sinnvoll, Senta von der aktuellen Entwicklung in Kenntnis zu setzen. Zwar bewies die Tatsache, dass Roman Caspari bei mehreren Leipziger Verlagen angerufen hatte noch lange nicht seine Schuld, aber Henning hielt es dennoch für angebracht mit Senta darüber zu sprechen. Erneut nahm er sein Handy zur Hand und tippte ihre Nummer ein. Er ließ es mehrmals klingeln, doch niemand hob ab. Henning sah auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach zehn Uhr. Er würde es in einer halben Stunde noch einmal versuchen. Ihm fiel wieder ein, dass heute Coras Geburtstag war. Daher vermutete er Senta auf dem Friedhof.

18
    Mit verquollenen, vom Weinen geröteten Augen blickte Senta auf den schlichten, aus Granit geschlagenen Stein. Zum wohl hundertsten Mal las sie die Daten, die er enthielt: Cora Birkner, geboren am 30. April 1961, gestorben am 3. März 2000. Gestorben, dachte sie voller Groll, ermordet hätte man schreiben sollen. Erneut liefen ihr bei diesem Gedanken Tränen übers Gesicht. Tränen, die bitter und salzig schmeckten. Doch auch ein ganzes Meer davon hätte ihre Schuldgefühle, ihre Ohnmacht, vor allem aber das grenzenlose Gefühl der Verlassenheit, das sie in diesem Moment verspürte, nicht hinwegzuspülen vermocht. Um ihre Fassung wiederzuerlangen, beugte sich Senta über den Strauß gelber Tulpen, Coras Lieblingsblumen, die sie ihr erst vor wenigen Minuten aufs Grab gestellt hatte, um sie neu anzuordnen. Dann zog sie ein Taschentuch aus ihrer Strickjacke und fuhr sich damit über die Augen. Sie wollte sich gerade zum Gehen wenden, als sie Schritte hinter sich hörte. Es war Roman und er hielt einen Strauß gelber Rosen in der Hand. Er sah braungebrannt und gut erholt aus.
    Als er sah, dass Senta geweint hatte, schloss er sie in seine Arme. „Ich kann mir vorstellen, wie schwer das alles für dich sein muss“, bemerkte er teilnahmsvoll.
    Erneut brach Senta in Tränen aus. Roman strich ihr beschwichtigend über den Rücken. Um Fassung bemüht, putzte sie sich die Nase. Dann ergriff sie Romans Hand: „Es tut gut, dich zu sehen. Du hast mir gefehlt. Die letzten Tage waren die Hölle. Du kannst dir nicht vorstellen, was alles passiert ist, während du weg warst.“
    „Wenn ich dich so reden höre, dann hätte ich womöglich besser hier bleiben sollen. Du hast einen Freund gebraucht und ich war nicht da. Genau wie damals bei Cora.“
    Roman machte einen zerknirschten Eindruck.
    „Aber nein. Du musst dir deshalb keine Vorwürfe machen. Du

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