Grabeskaelte
Haus und deponierte den Schlüssel unter dem Tontopf neben der Treppe. Prüfend sah er sich noch einmal um. Hatte er auch nichts vergessen?
Schnellen Schrittes steuerte er seine Pension an. Auf seinem Zimmer angekommen, rief er Rüdiger an. Als dieser sich meldete, setzte ihn Henning mit wenigen Worten von seinem Verdacht in Kenntnis: „Deshalb wäre es äußerst wichtig für mich zu erfahren, welche Adressen sich hinter den betreffenden Nummern, die ich dir gerade durchgesagt habe, verbergen.“
Rüdiger versprach sich umgehend darum zu kümmern und schnellstmöglich zurückzurufen. Bevor er auflegte bemerkte er noch: „Dieser Fall wird immer undurchsichtiger. Ich hoffe, dass es uns gelingt, ihn so schnell wie möglich zu lösen. Ich hätte dich heute Abend ohnehin angerufen. Ich habe da nämlich ein paar äußerst interessante Informationen über Arno Corte erhalten. Aber das scheint ja nun möglicherweise gar nicht mehr wichtig zu sein.“
Doch Henning widersprach: „Alles kann von Bedeutung sein, also lass hören, soviel Zeit muss sein.“
„Na gut, ganz wie du meinst! Also wie du schon richtig vermutet hast, scheint dieser Corte jede Menge Dreck am Stecken zu haben. Es gab da mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden gegen ihn. In einer davon ging es um die sexuelle Belästigung einer Kollegin. Dabei gab es eine ganze Reihe von belastendem Material. Jedem anderen hätte das mit Sicherheit das Genick gebrochen. In Arno Cortes Fall jedoch wurden all diese Anzeigen auf unerklärliche, fast schon wundersame Weise fallen gelassen. Das hat mich natürlich stutzig gemacht und ich habe tiefer gegrast. Dabei habe ich über sieben Ecken herausgefunden, dass er einen einflussreichen Gönner besaß. Um wen es sich dabei allerdings handelte, das konnte ich bislang nicht herausfinden. Aber meiner Meinung nach muss diese Person über erhebliche Macht verfügt haben, sonst hätte sie die überaus belastenden Anschuldigungen gegen Arno Corte nicht so ohne weiteres vereiteln können. Wusstest du übrigens, dass er vorzeitig pensioniert wurde?“
„Nein, das ist mir neu“, bekannte Henning.
„Seine Kollegen haben ihm, wie du dir sicher denken kannst, keine Träne nachgeweint.“
„Das kann ich mir gut vorstellen.“
„Tja, das war’s auch schon an Neuigkeiten von meiner Seite aus. Ich habe gerade die Akte Liebermann vor mir liegen. Bis jetzt bin ich noch auf keinerlei Hinweise, die für uns von Interesse sein könnten, gestoßen. Die vorhandenen Informationen sind mehr als dürftig. Dieser Corte scheint mir nicht nur korrupt, sondern zudem auch noch äußerst unfähig gewesen zu sein. Natürlich würde die Tatsache, dass er selbst in diesen Fall verwickelt war, eine Erklärung für die klägliche Beweisführung liefern. Ich bleibe auf alle Fälle am Ball. Wegen der Telefonnummern melde ich mich, sobald ich etwas herausgefunden habe.“
17
Am nächsten Morgen überschlugen sich die Ereignisse. Kurz nach sieben Uhr schrillte Hennings Handy. Da er noch immer auf eine Nachricht von Rüdiger wartete, hob er gleich beim ersten Klingeln ab. Doch es war nicht sein Freund, sondern Senta, die anrief.
„Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt, aber ich glaube, ich weiß jetzt, wo Coras Tagebuch sein könnte.“
„Keine Sorge, ich war schon munter, lassen Sie hören!“
„Mir ist heute Nacht eingefallen, dass Cora im letzten Frühjahr in Leipzig zur Buchmesse war. Auch in den Jahren vorher ist sie regelmäßig mit dem Zug dahin gefahren. Deshalb habe ich mir gedacht, dass sie das Tagebuch möglicherweise dort in einem der Bahnhofsschließfächer deponiert haben könnte.“
„Das klingt plausibel.“ sinnierte Henning. Die von der Bibliothekarin erwähnten Reiseführer fielen ihm wieder ein. Wenn er dieser Spur nachgegangen wäre, hätte er möglicherweise von selbst darauf kommen können. „Haben Sie außer mit mir mit jemanden darüber gesprochen?“
„Aber nein, wo denken Sie hin!“
„Na gut.“ Einer spontanen Eingebung folgend setzte Henning hinzu: „Wissen Sie was, ich werde noch heute nach Leipzig fahren. Ich melde mich, sobald es Neuigkeiten gibt. Drücken Sie mir die Daumen, dass ich finde, wonach wir suchen.“
Nachdem Henning aufgelegt hatte, rief er die Bahnauskunft an und ließ sich die nächste Zugverbindung nach Leipzig durchsagen. Er hatte sich entschlossen, mit der Bahn zu fahren. Für den Fall, dass er das Tagebuch finden sollte, müsste er keine wertvolle Zeit verschwenden. Vielmehr könnte er noch
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