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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Bordstein, um den Anruf anzunehmen. »Ich habe jetzt keine Zeit für so was, Frankie«, fauchte sie.
    »Wer zum Teufel ist Frankie?«, erwiderte der Anrufer nicht minder gereizt. »Hören Sie, Rizzoli, ich habe die Schnauze voll von dieser Red-Phoenix-Scheiße, und ich will, dass das aufhört.« Kevin Donohues Reibeisenstimme war ebenso unverwechselbar wie seine gewählte Ausdrucksweise.
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Mr. Donohue«, sagte sie.
    »Ich hab heute Nachmittag noch eine gekriegt. Diesmal haben sie sie mir unter den Scheibenwischer geklemmt. Ist das denn zu glauben? Besitzen doch glatt die Frechheit, mein Auto anzulangen!«
    »Sie haben was gekriegt?«
    »Na, noch so eine Kopie von Joeys Todesanzeige. Seine Hobbys waren Basketball und Scheibenschießen. Hinterlässt seine untröstliche Mutter und eine Schwester, bla bla bla. Und auf der Rückseite steht eine Botschaft.«
    »Wie lautet sie?«
    »Dich wird es auch noch erwischen.«
    »Und Sie glauben, das muss man ernst nehmen?«
    »Zwei Menschen sind schon von diesem unheimlichen Affenwesen zerstückelt worden, und Sie meinen, ich soll das nicht ernst nehmen?«
    Mit ruhiger Stimme erwiderte sie: »Von welchem Affenwesen sprechen Sie?«
    »Was denn – meinen Sie etwa, ich dürfte das nicht wissen?«
    »Diese Information war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.«
    »Ich bin nicht die Öffentlichkeit , kapiert? Ich bin ein Staatsbürger und Steuerzahler, dessen Leben bedroht wird.«
    Er hat Insider-Informationen über unsere Ermittlungen, dachte sie. Irgendwie ist es ihm gelungen, einen Maulwurf ins Boston PD einzuschleusen. Eigentlich sollte sie das nicht überraschen. Ein so mächtiger Mann wie Donohue konnte sich überall Augen und Ohren kaufen, selbst im Rathaus und im Polizeipräsidium.
    »Machen Sie Ihren Job, Detective«, sagte Donohue. »Ihre Aufgabe ist es schließlich, zu dienen und zu beschützen – schon vergessen?«
    Nur zu dumm, dass dazu auch gehört, solchen Abschaum wie dich zu beschützen . Sie atmete tief durch und zwang sich zu einem zivilisierten Ton. »Ich muss diesen Zettel mit eigenen Augen sehen. Wo sind Sie gerade?«
    »In meinem Lager am Jeffries Point. Ich warte hier nicht ewig, also beeilen Sie sich ein bisschen.«

30
    Die Dunkelheit war schon hereingebrochen, als Jane durch das offene Tor von Donohues Fleischgroßhandel fuhr und den Wagen zwischen einem BMW und einem silberfarbenen Mercedes abstellte. Mafiabosse standen offenbar auf importierte Luxuskarossen. Als sie ausstieg, hörte sie das Dröhnen eines Jets, der vom nahen Logan Airport startete. Sie blickte auf und sah die Maschine in Schräglage gehen und Kurs nach Süden nehmen. Sie dachte an Strände in Florida, an Rum-Cocktails und Palmen. Wie schön es doch wäre, in sonnige Gefilde zu entfliehen und einmal Urlaub von Mord und Totschlag zu machen …
    »Detective Rizzoli.«
    Sie wandte sich um und erkannte einen der Leibwächter, die sie vor einigen Tagen in Donohues Villa kennengelernt hatte – Sean war sein Name.
    »Er wartet drinnen«, sagte Sean und beäugte ihre Waffe, die im Holster steckte. »Aber zuerst müssen Sie mir die da aushändigen.«
    »Neulich hatte Mr. Donohue aber kein Problem damit, dass ich bewaffnet war.«
    »Tja nun, aber jetzt ist er viel nervöser. Wegen dieser Botschaft an seiner Windschutzscheibe.« Er streckte die Hand aus.
    »Ich gebe meine Waffe niemals aus der Hand. Also richten Sie doch Mr. Donohue aus, dass er mich im Präsidium besuchen kann. Dort werde ich mich gerne mit ihm unterhalten.« Sie drehte sich um und steuerte ihren Wagen an.
    »Okay, okay«, gab der Mann nach. »Aber nur dass Sie’s wissen – ich werde Sie beobachten wie ein Luchs.«
    »Jaja, ist schon recht.«
    Sie folgte ihm in die Lagerhalle, und als die isolierte Tür hinter ihr mit einem dumpfen Geräusch ins Schloss fiel, wünschte sie plötzlich, sie hätte eine wärmere Jacke mitgenommen. Hier drin war es eiskalt – eine fensterlose Höhle, in der sie ihren eigenen Atem aufsteigen sah. Sean führte sie durch einen Vorhang aus langen Plastikstreifen in den eigentlichen Kühlraum. Von Haken in der Decke hingen riesige Rinderhälften herab, Reihe um Reihe, ein ganzer Wald von baumelnden Kadavern. Die kalte, neblige Luft stank nach Blut und totem Fleisch, und sie fürchtete, dass dieser Geruch noch lange in ihren Haaren und Kleidern hängen würde, nachdem sie die Halle verlassen hatte. Sie gingen durch dieses Labyrinth aus Fleisch zu einem Büro im

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