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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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SMS zu Ende schrieb und sie in den Äther schickte. Sie überlegte sich, wie es vermutlich ablaufen würde: eine Kugel in den Kopf, um sie zu töten, gefolgt von einem zweiten Schuss, um Schmauchspuren auf ihre Hand zu bringen – genau wie bei Wu Weimins fingiertem Selbstmord. Es stimmte, was Mark gesagt hatte: Es war allzu leicht, die Beteuerungen der Angehörigen eines Opfers zu ignorieren. Sie selbst war da auch nicht ganz unschuldig. Sie erinnerte sich, wie sie einmal vor der Leiche eines jungen Mannes gestanden hatte, dem ein Schuss aus einer Schrotflinte den halben Kopf weggerissen hatte. Sie hörte noch die Mutter schluchzen: Er hätte sich niemals das Leben genommen! Er hatte gerade sein ganzes Leben umgekrempelt! Und sie erinnerte sich an die Bemerkung, die sie hinterher Frost gegenüber gemacht hatte, über ahnungslose Familien, die so etwas nie kommen sahen.
    »Sie haben so viele Fehler gemacht«, sagte Iris. »Sie haben ja keine Ahnung, was gleich passieren wird.«
    Mark drehte sich zu ihr um und lachte höhnisch. »Aber Sie wissen es besser, wie? Unsere Kassandra in Ketten.«
    Der Blick, mit dem Iris ihn ansah, war geradezu unheimlich ruhig. »Bevor alles vorbei ist, verraten Sie mir noch eines: Warum haben Sie meine Tochter ausgesucht?«
    Mark ging auf Iris zu, bis sie sich Auge in Auge gegenüberstanden. Obwohl er viel größer war, obwohl er in jeder Beziehung im Vorteil war, zeigte Iris keine Spur von Angst. »Die hübsche kleine Laura. Du erinnerst dich doch an sie, Patrick?« Er blickte sich zu dem älteren Mann um. »Das Mädchen, das wir aufgegabelt haben, als es aus der Schule kam. Wir haben ihr angeboten, sie mitzunehmen.«
    » Warum? «, sagte Iris.
    Mark lächelte. »Weil sie etwas Besonderes war. Das waren sie alle.«
    »Wir vergeuden unsere Zeit«, unterbrach ihn Patrick und trat auf Jane zu. »Schaffen wir sie hier raus.«
    Aber Mark sah immer noch Iris an. »Manchmal habe ich das Mädchen ausgesucht, manchmal war es Patrick. Du weißt nie, was es ist, das dir zuerst ins Auge fällt. Ein hübscher Pferdeschwanz vielleicht oder ein knackiger kleiner Hintern. Irgendetwas, was sie von den anderen abhebt. Was sie zu einer würdigen Kandidatin macht.«
    »Charlotte muss es gewusst haben«, sagte Jane und blickte voller Abscheu zu Patrick auf. »Ihr muss doch klar gewesen sein, was Sie waren. Mein Gott, ihr eigener Vater. Wie konnten Sie sie umbringen?«
    »Charlotte hatte nie etwas damit zu tun.«
    »Nie etwas damit zu tun? Um sie drehte sich doch alles!«
    Janes Handy klingelte. Mark warf einen Blick aufs Display und sagte: »Der Gatte will wohl wissen, wo seine bessere Hälfte steckt.«
    »Geh nicht dran«, sagte Patrick.
    »Hatte ich auch nicht vor. Ich schalte das Ding einfach aus, und dann schaffen wir sie ins Auto.«
    Iris sagte: »Glauben Sie, dass es so einfach gehen wird?«
    Die Männer ignorierten sie und bückten sich, um Jane zu packen. Patrick nahm ihre Füße, und Mark griff ihr unter die Arme. Sosehr Jane sich auch wand, sie konnte ihnen keinen Widerstand entgegensetzen, und sie hoben sie mühelos hoch, um sie zur Tür zu tragen.
    »Sie haben schon verloren«, sagte Iris. »Sie wissen es nur noch nicht.«
    Mark schnaubte verächtlich. »Ich weiß, wer an der Wand festgekettet ist.«
    »Und ich weiß, wer Ihnen hierher gefolgt ist.«
    »Niemand ist mir ge…« Er brach plötzlich ab, als das Licht erlosch.
    In der pechschwarzen Dunkelheit ließen beide Männer Jane los, und sie fiel auf den Boden, schlug mit dem Kopf auf den Beton. Benommen lag sie da und versuchte zu begreifen, was um sie herum geschah. Sehen konnte sie nichts, hörte nur wilde Flüche und hektisches Atmen.
    »Scheiße, was war das?«, rief Mark.
    Iris’ Stimme wisperte in der Finsternis: »Jetzt beginnt es.«
    »Ruhe! Seien Sie endlich still !«, schrie Mark.
    »Es ist wahrscheinlich nichts weiter«, sagte Patrick, doch er klang verunsichert. »Vielleicht ist nur eine Sicherung rausgeflogen. Gehen wir nach oben und sehen nach.«
    Die Tür knallte, und die Schritte der beiden verhallten auf der Treppe. Jane hörte nur noch das dumpfe Pochen ihres eigenen Herzens.
    »Sie müssen ganz still liegen und sich ruhig verhalten«, sagte Iris.
    »Was passiert hier?«
    »Das, was schon seit Langem vorherbestimmt war.«
    »Sie haben es gewusst? Sie haben damit gerechnet?«
    »Hören Sie mir genau zu, Detective. Das hier ist nicht Ihre Schlacht. Sie wurde vor langer Zeit geplant, und sie wird ohne Sie ausgefochten

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