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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Und diese Liste war nicht sehr lang.«
    »Eine dieser Personen war Iris Fang«, sagte Jane.
    Zucker nickte. »Ah, ja. Die Frau des Kellners. Ich erinnere mich sehr gut an sie.«
    »Aus irgendeinem bestimmten Grund?«
    »Zunächst einmal war sie eine wunderschöne Frau. Sie sah einfach umwerfend aus.«
    »Wir haben sie gerade kennengelernt«, sagte Frost. »Sie sieht immer noch umwerfend aus.«
    »Tatsächlich?« Zucker blätterte in seiner Mappe. »Mal sehen – sie war sechsunddreißig, als ich mit ihr sprach. Dann ist sie jetzt … fünfundfünfzig.« Er warf Frost einen Blick zu. »Muss an den asiatischen Genen liegen.«
    Jane kam sich allmählich vor wie die hässliche, von allen ignorierte Stiefschwester. »Gut, mal abgesehen von der Tatsache, dass unter den männlichen Anwesenden Einigkeit über ihr umwerfendes Aussehen besteht – was ist Ihnen noch von Mrs. Fang in Erinnerung?«
    »Eine ganze Menge. Ich habe mehrmals mit ihr gesprochen, da sie meine Hauptquelle für Informationen über Wu Weimin war. Es war das erste Jahr meiner Zusammenarbeit mit dem Boston PD , und dieser spezielle Fall war so entsetzlich, dass es schwierig wäre, sich nicht daran zu erinnern. Sie fahren zu einem späten Abendessen nach Chinatown, aber anstatt ihr Huhn Kung Pao zu genießen, werden sie vom Koch niedergemetzelt. Deswegen erregte der Vorfall solche Aufmerksamkeit. Die Leute fühlten sich bedroht, weil es jeden hätte treffen können. Und dazu kam die übliche Hysterie wegen angeblich gemeingefährlicher illegaler Einwanderer. Wie war Mr. Wu ins Land gelangt? Wie war er an eine Waffe gekommen? Und so weiter. Ich hatte erst seit Kurzem meine Promotion in der Tasche, und schon fand ich mich als Berater im spektakulärsten Mordfall des Jahres wieder. Und das als blutiger Anfänger.« Er hielt inne. »Das war jetzt vielleicht ein wenig unglücklich ausgedrückt.«
    »Was waren Ihre Schlussfolgerungen bezüglich des Täters?«, fragte Frost.
    »Er war im Grunde ein sehr bedauernswerter Mensch. Wu stammte aus der Provinz Fujian und war mit ungefähr zwanzig Jahren heimlich in die USA eingereist. Das genaue Datum lässt sich unmöglich ermitteln, da es keine Papiere gibt. Sämtliche Informationen stammen von Mrs. Fang, die sagte, dass Mr. Wu ein enger Freund ihres Mannes gewesen sei.«
    »Der bei dem Amoklauf ums Leben kam«, bemerkte Frost.
    »Stimmt. Dennoch weigerte sich Mrs. Fang, irgendetwas Schlechtes über Wu zu sagen. Sie glaubte nicht, dass er es getan hatte. Sie beschrieb ihn als sanftmütig und arbeitsam. Niemals hätte er sein Leben einfach so weggeworfen. Er ernährte nicht nur seine Frau und seine Tochter, sondern schickte auch noch Geld an einen siebenjährigen Sohn aus einer früheren Beziehung.«
    »Es gab also eine Exfrau?«
    »In einer anderen Stadt. Aber Wu und seine Frau, Li Hua, lebten schon seit Jahren in Boston. Sie hatten eine Wohnung direkt über dem Restaurant, in dem er arbeitete, und führten ein recht zurückgezogenes Leben. Wahrscheinlich wollten sie als illegale Einwanderer keine Aufmerksamkeit erregen. Dazu kamen wohl Verständigungsprobleme, da die beiden nur Mandarin und ihren lokalen Dialekt Min sprachen.«
    »Während die meisten Bewohner von Chinatown Kantonesisch sprechen«, sagte Frost.
    Zucker nickte. »Die Vertreter dieser Dialekte können einander nicht verstehen, und das muss die Familie Wu weiter isoliert haben. Bei diesem Mann kamen also verschiedene Stressfaktoren zusammen. Er musste seinen Status als Illegaler geheim halten. Er war isoliert. Und er musste eine Familie ernähren. Wenn man dann noch die hohe Arbeitsbelastung bedenkt, dürfte für jeden offensichtlich sein, dass dieser Mann unter einem sehr hohen Druck stand.«
    »Aber was ließ ihn dann plötzlich ausrasten?«, fragte Jane.
    »Das wusste Mrs. Fang nicht. In der Woche, als es passierte, war sie zu einem Verwandtenbesuch im Ausland. Ich befragte sie nach ihrer Rückkehr, als sie immer noch unter Schock stand. Das Einzige, was sie immer wieder betonte, war, dass Wu niemals einen Menschen getötet hätte. Und ganz sicher hätte er nicht ihren Ehemann James erschossen, denn die beiden Männer seien Freunde gewesen. Sie behauptete zudem, Wu habe gar keine Waffe besessen.«
    »Woher wollte sie das wissen? Sie war ja mit dem Mann nicht verheiratet.«
    »Nun, Wus Frau konnte ich leider nicht befragen. Wenige Tage nach der Schießerei packten sie und ihre Tochter ihre Koffer und verschwanden. Damals gab es noch kein Ministerium

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