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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Gespräch. »Ich fürchte, wir können noch nicht Feierabend machen.«
    »Wer war das?«
    »Der Makler, der für das Haus in der Knapp Street zuständig ist. Ich habe den ganzen Tag versucht, ihn zu erreichen. Er sagt, er verreist heute Abend noch, aber wenn wir das Haus sehen wollen, können wir uns in einer Stunde mit ihm treffen.«
    »Dann heißt es wohl: zurück nach Chinatown?«
    Frost nickte. »Zurück nach Chinatown.«

16
    Im schwindenden Zwielicht war die Knapp Street eine düstere Schlucht zwischen vierstöckigen Backsteinhäusern. Jane und Frost standen vor dem ehemaligen Red Phoenix und versuchten, einen Blick ins Innere zu erhaschen, doch hinter den vergitterten Fenstern sah Jane nur dünne Vorhänge, vom Alter zerschlissen und beinahe durchscheinend.
    Frost blickte auf seine Uhr. »Mr. Kwan hätte schon vor einer Viertelstunde hier sein sollen.«
    »Hast du keine Handynummer von ihm?«
    »Ich glaube nicht, dass er ein Handy hat. Ich telefoniere schon den ganzen Tag über sein Büro hinter ihm her.«
    »Ein Makler, der kein Handy besitzt?«
    »Ich hoffe bloß, dass wir uns richtig verstanden haben. Er hat einen ziemlich starken chinesischen Akzent.«
    »Da könnten wir Tam jetzt gut gebrauchen. Wo ist er denn?«
    »Er sagte, er würde hier sein.«
    Jane trat von dem Gebäude zurück und blickte an der Fassade mit der rostigen Feuertreppe und den vernagelten Fenstern empor. Erst letzte Woche hatte sie zusammen mit der Spurensicherung die Dächer dieses Häuserblocks nach Patronenhülsen abgesucht. Gleich um die Ecke war die Gasse, in der die abgetrennte Hand der Frau in Schwarz gefunden worden war. Diese Straße, dieses Gebäude schien der Ausgangspunkt des ganzen Geschehens zu sein. »Sieht aus, als ob es schon sehr lange leer steht. Und das mitten in der City – das ist doch bestimmt ein Filetstück hier.«
    »Bis auf die Tatsache, dass es der Tatort eines Verbrechens ist. Tam sagt, in dem Viertel hier glauben die Leute wirklich noch an Geister. Und ein Haus, in dem es spukt, bringt nur Unglück.« Er hielt inne und blickte die Straße hinauf. »Ob das wohl unser Freund ist, der da kommt?«
    Der alte Chinese humpelte, als ob er es mit der Hüfte hätte, doch er bewegte sich erstaunlich flink in seinen weißen Reeboks, als er über den schiefen Gehsteig auf sie zukam und dabei gewandt über einen Müllsack hinwegstieg. Seine Jacke war mehrere Nummern zu groß, doch er trug sie mit Stil, wie ein zerstreuter Professor, der sich für einen Abendspaziergang in Schale geworfen hat.
    »Mr. Kwan?«
    »Hallo, hallo. Sie Detective Frost?«
    »Ja, Sir. Und das ist meine Partnerin, Detective Rizzoli.«
    Der Mann lächelte und ließ dabei zwei glänzende Goldzähne sehen. »Ich Ihnen gleich sagen, ich immer halten an Gesetz, okay? Okay? Immer alles legal.«
    »Sir, deswegen habe ich Sie nicht angerufen.«
    »Sehr gute Lage hier, Knapp Street. Drei Apartments oben. Unten, sehr gut für Geschäft. Vielleicht Restaurant oder Laden.«
    »Mr. Kwan, wir wollen uns nur ein wenig im Haus umsehen.«
    »Hinten noch zwei Stellplätze für Auto von Mieter …«
    »Will er es uns nun zeigen oder verkaufen?«, murmelte Jane.
    »… Immobiliengesellschaft in Hongkong will nicht mehr vermieten. Also verkaufen zu sehr gute Preis.«
    »Und warum ist es dann noch nicht verkauft?«
    Mit dieser Frage schien er nicht gerechnet zu haben, denn seine Werbesprüche verstummten jäh. Er beäugte Jane im Halbdunkel, und sein faltiges Gesicht verfinsterte sich. »Schlimme Sache hier passiert«, gab er schließlich zu. »Niemand wollen mieten oder kaufen.«
    »Sir, wir sind nur gekommen, um uns die Räume anzusehen«, erklärte Frost.
    »Warum? Drinnen alles leer, nichts zu sehen.«
    »Es handelt sich um eine polizeiliche Ermittlung. Bitte öffnen Sie einfach nur die Tür.«
    Widerstrebend zog Kwan einen riesigen Schlüsselbund aus der Tasche, der klirrte wie der Ring eines Kerkermeisters. In der dunklen Gasse brauchte er entsetzlich lange, um den passenden Schlüssel zu finden und ihn in das Vorhängeschloss zu stecken. Das Tor schwang mit ohrenbetäubendem Kreischen auf, und sie traten über die Schwelle des ehemaligen Red Phoenix. Mr. Kwan betätigte den Lichtschalter, worauf eine einsame Glühbirne an der Decke aufleuchtete.
    »Ist das die einzige Beleuchtung hier drin?«, fragte Jane.
    Der Makler warf einen Blick zur Decke und zuckte mit den Achseln. »Zeit zu kaufen Glühbirnen.«
    Jane trat in die Mitte des düsteren Raums und blickte

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