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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sich um. Wie Kwan bereits gesagt hatte, stand das Gebäude leer, und sie sah nur den nackten Linoleumboden, rissig und vergilbt vom Alter. Nur die fest eingebaute Kassentheke ließ erkennen, dass dies einmal der Speisesaal eines Restaurants gewesen war.
    »Wir lassen putzen, lassen streichen«, sagte Mr. Kwan. »Alles gemacht genau wie vorher, aber immer noch niemand wollen kaufen.« Er schüttelte angewidert den Kopf. »Chinesen viel zu abergläubisch. Wollen gar nicht erst reingehen.«
    Ich kann es ihnen nicht verdenken, dachte Jane, als ein kalter Lufthauch ihre Haut zu streifen schien. Gewalt hinterlässt ihre Spuren, einen Makel, der sich mit noch so viel Seife und Bleichmittel nicht auslöschen lässt. In einem Viertel wie Chinatown, das quasi ein Dorf inmitten der Großstadt war, hatte wohl niemand vergessen, was in diesem Gebäude passiert war. Niemand würde an dem Haus in der Knapp Street vorbeigehen können, ohne eine Gänsehaut zu bekommen. Selbst wenn man das Gebäude abreißen und an gleicher Stelle ein neues errichten sollte, würde diese Blutstätte in den Augen derjenigen, die um ihre hässliche Vergangenheit wussten, für alle Zeiten verflucht bleiben. Jane sah auf das Linoleum hinunter – denselben Boden, auf dem damals das Blut geflossen war. Obwohl die Wände neu gestrichen und die Einschusslöcher zugegipst waren, würden sich in den Nahtstellen und Ritzen dieses Bodens immer noch chemische Spuren des Bluts finden. Plötzlich erschien vor ihrem inneren Auge ein Tatortfoto, das sie beim Studium der Akten gesehen hatte. Es zeigte einen leblosen Körper, der inmitten von Essenskartons am Boden lag.
    Das ist die Stelle, wo Joey Gilmore gestorben ist.
    Ihr Blick ging zur Kassentheke, und die Erinnerung an ein anderes Tatortfoto legte sich über diese Stelle am Boden: die Leiche von James Fang, mit verrutschter Brille, bekleidet mit seiner adretten Kellnerweste und schwarzer Hose. Er war in der Nische hinter der Kasse zusammengebrochen, zwischen verstreuten Dollarscheinen.
    Jane drehte sich um und starrte in die Ecke, wo einmal ein Vierertisch gestanden hatte. Sie stellte sich vor, wie Dina und Arthur Mallory an diesem Tisch saßen, wie sie Tee tranken, um sich nach der kühlen Luft des Märzabends zu wärmen. Dieses Bild verschwand plötzlich, ersetzt durch die Polizeifotos, die ein paar Stunden später entstanden waren. Arthur Mallory saß noch auf seinem Stuhl, er war über den umgefallenen Teetassen zusammengesackt. Und ein paar Schritte entfernt lag Dina, seine Frau, mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, neben ihr der Stuhl, den sie bei ihrem panischen Fluchtversuch umgestoßen hatte. Jane stand in diesem leeren Raum, und sie konnte das Echo der Schüsse hören, das Klirren von zerbrechendem Geschirr.
    Sie wandte sich zur Küche um, wo der Koch gestorben war. Mit einem Mal sträubte sich alles in ihr dagegen, durch diese Tür zu gehen. Es war Frost, der als Erster eintrat, der das Licht einschaltete. Wieder leuchtete nur eine einzige Birne auf. Jane folgte ihm, und im schwachen Licht erkannte sie den geschwärzten Herd, einen Kühlschrank und Arbeitsflächen aus Edelstahl. Der Betonboden war ausgetreten und mit kleinen Kratern und Rissen übersät.
    Sie ging auf die Kellertür zu. Hier hatte Wu Weimin seinen letzten Atemzug getan, hier hatte seine Leiche den Kellereingang blockiert. Sie starrte auf den Boden und hatte fast den Eindruck, dass er hier ein wenig dunkler war, dass der Beton immer noch von altem Blut verfärbt war. Sie erinnerte sich, wie verstörend unversehrt sein Gesicht gewirkt hatte, bis auf das eine Einschussloch, das die Kugel in seine Schläfe gestanzt hatte. Das Geschoss war von der Innenseite des Schädels abgeprallt und hatte die graue Substanz zerfetzt, doch es hatte ihn nicht auf der Stelle getötet. Das wussten sie, weil sein Herz mit seinen letzten Schlägen noch solche Mengen Blut aus der Wunde gepumpt hatte, dass es wie ein Wasserfall die Kellertreppe hinuntergelaufen war.
    Jane öffnete die Tür und erblickte eine Holztreppe, die unten in der Dunkelheit verschwand. Von der Decke hing eine Kordel, doch als sie daran zog, passierte nichts. Hier war offenbar die Birne durchgebrannt.
    Frost ging durch die Küche zu einer weiteren Tür. »Führt die nach draußen?«
    »Geht zu Rückseite von Haus«, antwortete Mr. Kwan. »Parkplätze.«
    Frost öffnete die Tür und stand vor einem weiteren verschlossenen Gittertor. »Das ist die Gasse. Im Bericht heißt es, die Frau

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