Grabesstille
Ärzte – ein Mann und eine Frau – den Flur entlang, um mit uns zu sprechen. Wir fassten uns auf der Stelle.
»Schon gut«, sagte die Frau, »keine Sorge.« Sie war groß, dunkelhaarig und schick gekleidet. Beide Ärzte mussten etwa Anfang Fünfzig sein. »Lachen hilft, um die Anspannung ein wenig abzubauen«, erklärte sie mit beruhigendem Lächeln.
Sie stellten sich als Greg Riley, Bens Chirurg, und Jo Robinson, klinische Psychologin, vor.
»Setzen Sie sich«, sagte Dr. Riley. »Unterhalten wir uns einen Moment.«
Als wir saßen, erklärte Dr. Robinson: »Ben hat uns die Erlaubnis gegeben, seinen Fall mit Ihnen zu besprechen, aber, Ms. Kelly, angesichts Ihres Berufes muss ich Ihnen natürlich sagen, dass –«
»Ich bin nicht als Reporterin hier«, sagte ich. »Nichts, was Sie mir anvertrauen, wird in der Zeitung erscheinen.«
Riley nickte. »Das freut mich. Die Klinikverwaltung fordert meinen Skalp, wenn ich nicht nach unten komme und ihnen helfe, eine Pressekonferenz zu organisieren, daher werde ich einen Teil dessen, was normalerweise meine Aufgabe ist, Jo überlassen. Sie hat alles gehört, was ich Ben zu sagen hatte, und wenn Sie noch weitere Fragen haben, rufen Sie in meiner Praxis an – ich stehe im Telefonbuch. Ich würde Ihnen ja eine Karte geben, aber ich habe momentan keine bei mir.«
Trotz all ihrer Versuche, uns die Befangenheit zu nehmen, spürte ich, dass ich mich sofort, als ich die beiden sah, verkrampft hatte. Ich musste mir eingestehen, dass ich Angst davor hatte, Ben wach und in diesem veränderten Zustand zu sehen, davor, falsch zu reagieren und etwas zu tun oder zu sagen, was ihn kränkte. Was, wenn Ellen Raice die klügste von uns gewesen war?
Dr. Riley nannte uns eine Reihe von Statistiken, die Teil eines Vertrags waren, den er zweifellos schon den Angehörigen und Freunden anderer Patienten gehalten hatte. Das meiste davon rauschte an mir vorbei. »Man schätzt, dass sich jede Woche etwa dreitausend Personen in diesem Land einer Amputation unterziehen müssen«, sagte er nun. »Aber so hoch diese Zahl auch ist, das Bewusstsein dafür, was der Verlust eines Gliedes bedeutet, ist schändlich gering. Für Ben Sheridan handelt es sich natürlich nur um eine einzige Operation. Und er hat Recht, weil jeder Fall einzigartig ist.«
Nach einer Pause fügte er hinzu: »Sprechen wir doch über Bens Fall.«
Er begann damit, die Faktoren aufzuzählen, die für Ben sprachen. Ben war jung, gesund und intelligent. Er kannte sich mit Anatomie aus – sogar mit Amputation. Er befand sich in erfahrenen Händen, in einem Krankenhaus, das auf herausragende Erfolge in vergleichbaren Fällen zurückblicken konnte. »Und weil er am College beschäftigt ist, ist er gut krankenversichert. Ich muss leider gestehen, dass der Deckungsumfang eine große Rolle bei dem spielt, was wir in puncto Prothese, Physiotherapie und anderen Aspekten der postoperativen Behandlung leisten können. Ben profitiert bereits jetzt davon, da wir ihm sofort eine Prothese anpassen konnten.«
»Sofort?«, fragte Jack. Da ich die Schwester, die mich kurz zu Ben gelassen hatte, nicht in Schwierigkeiten bringen wollte, hielt ich den Mund.
»Ja. Sowie die Nähte geschlossen waren, konnte ihm ein Prothetiker die erste anpassen.«
»Psychologisch gesehen«, erklärte Jo Robinson, »spielt dieses Verfahren eine große Rolle. Er ist aus der Narkose aufgewacht und hat am Fußende des Betts zwei Füße gesehen. Obwohl er weiß, dass einer davon eine Prothese ist, gibt ihm das Gelegenheit, sich nach und nach an die Veränderung seines Körperbilds zu gewöhnen. Und später hilft es ihm dabei, sein Gehmuster zu entwickeln.«
»Er wird also wieder gehen können?«, fragte ich.
Dr. Riley sah mich an und lächelte. »Ms. Kelly, mit dieser Art von Amputation und der Prothese, die uns vorschwebt, müsste er in der Lage sein, zu laufen, zu springen, zu schwimmen, Fahrrad zu fahren und Fußball zu spielen – was Sie wollen. Falls nicht unvorhergesehene Komplikationen eintreten, gibt es nur wenige oder gar keine Aktivitäten, die Ben vor der Amputation betrieben hat, zu denen er hinterher nicht mehr imstande sein wird.«
Ich dachte an Bens Arbeit und hatte meine Zweifel. »Wandern in unebenem Gelände?«
»Kürzlich hat ein Amputierter den Mount Everest bestiegen«, sagte Dr. Riley. »Falls Ben sich in den Kopf setzt, eine Aktivität wieder aufzunehmen oder eine neue anzufangen, würde ich ihm gute Chancen einräumen. Ich will nicht
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