Grabesstille
zu verstecken, was die Motte haben wollte.
Der Nachbarhund begann erneut zu bellen. Während ihr jeglicher noch verbliebener Mut abhanden kam, verließ die Motte das Haus, nahm den Werkzeugkasten in der Garage und entfernte sich eilig vom Haus des Toten.
Beim Wegfahren nahm sich die Motte nicht die Zeit, einen Blick auf das Haus der alten Frau zu werfen, um zu kontrollieren, ob sie an ihrem Fenster spionierte. Die Gedanken der Motte wurden von einer einzigen Vorstellung verzehrt, einem Satz, der zu einer Art Motten-Mantra wurde:
Sag’s nicht Nicky!
Sag’s nicht Nicky!
Sag’s nicht Nicky!
36
MITTWOCH MORGEN, 31. MAI
Las Piernas
Ellen Raice rief mich in der Arbeit an, um mir zu sagen, dass jemand in Bens Büro eingebrochen war, indem er den Schnappriegel eines Kellerfensters abgebrochen hatte.
»Wurde irgendetwas mitgenommen?«
»Nicht dass ich wüsste. Wenn ich nicht versucht hätte, das Fenster zu schließen, hätte ich womöglich nicht einmal gemerkt, dass jemand hier drin war. Aber als ich das entdeckt habe, habe ich mich umgesehen und erkannt, dass Dinge verstellt und durchsucht worden sind, wissen Sie. Vor allem auf einigen Regalen und in den Schreibtischschubladen.«
»Weiß die Campus-Polizei Bescheid?«
»Ja. Aber ich glaube nicht, dass dem Officer die Hintergründe klar sind.«
»Dass es mit Nicholas Parrish zusammenhängt.«
»Ich wusste, dass Sie es verstehen würden! Würden Sie Ihrem Mann davon berichten?«
Ich rief Frank an. Ein Detective und ein Spezialist von der Spurensicherung wurden zum College und ein Streifenwagen zu Davids Haus geschickt – auch dort war eingebrochen worden. Am Haus war offensichtlich, dass jemand die Hintertür der Garage aufgebrochen hatte. Ich berichtete Ben, was sich abgespielt hatte, und versicherte ihm, dass ich ins Haus gehen und nachsehen würde, ob irgendetwas fehlte.
Frank wartete dort auf mich. Es war die Art von Fall, die normalerweise lediglich mit einem Streifenwagen bedacht worden wäre – wenn überhaupt –, aber weil Nick Parrish etwas mit dem Einbruch zu tun haben könnte, war die mobile Spurensicherung schon an der Arbeit, als ich eintraf.
»Irgendwelche Fingerabdrücke?«, fragte ich Frank.
»Nein, aber sie glauben, hier an der Tür und an dem Fensterriegel im College Werkzeugspuren gefunden zu haben.«
»Unwahrscheinlich, dass rein zufällig am selben Tag bei Ben im Büro und zu Hause eingebrochen wird, oder?«
»Ja, und besonders unwahrscheinlich ist es, dass zweimal eingebrochen und nirgends etwas gestohlen wurde. Sowohl hier als auch im Büro waren Wertsachen, die nicht angerührt worden sind.«
»Was könnte Ben haben, das Parrish haben will?«
»Wir wissen nicht, ob es Parrish war.«
Ich starrte ihn an.
»Ja, ich stehe auf deiner Seite, aber wir müssen auch für andere Möglichkeiten offen bleiben«, sagte er. »Du hast seine Exfreundin erwähnt.«
»Camille. Und tu nur nicht so, als hättest du ihren Namen vergessen.«
Er lachte. »Okay, Camille. Es gab doch Unstimmigkeiten zwischen ihnen, oder?«
»Ein paar«, räumte ich ein. »Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass diese Frau in ihrem seidenen Karrierekostüm durch ein Kellerfenster irgendwo einbrechen soll.«
»Trotzdem werde ich, glaube ich, Ben anrufen und ihn fragen, wie die Firma heißt, bei der sie arbeitet. Ich würde mich gern mit ihr unterhalten.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Der Detective, der den Fall bearbeitete, kam in diesem Moment zu uns herüber. »Die Nachbarin auf der anderen Straßenseite sagt, sie hätte gestern eine Art Handwerker hier gesehen. Weiß jemand von Ihnen, ob Dr. Sheridan irgendwelche Reparaturen veranlasst hat?«
»Ja, weiß ich«, sagte ich. »Hat er nicht.«
»Die Nachbarin sagt, der Handwerker sei direkt in den Garten hinterm Haus gegangen. Sie weiß, dass Dr. Sheridan im Krankenhaus liegt, deshalb hat sie Verdacht geschöpft und ist rübergekommen und hat geklopft und geklingelt. Es hat niemand reagiert.«
»Um wie viel Uhr war das?«
»Am frühen Nachmittag. Sie hat sich eine Fernsehserie angesehen, die um ein Uhr beginnt. Sie ist in der Werbepause rübergegangen und daher nicht besonders lange geblieben.«
»Irgendeine Beschreibung von diesem Handwerker?«
»Nichts Brauchbares, es sei denn, Sie nennen ›ein Weißer mit einer Mütze‹ eine Beschreibung. Sie hat keine Ahnung von Größe oder Statur – dreimal hat sie ihre Meinung in diesen Punkten geändert.« Er hielt inne und sagte dann:
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