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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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Hosen. »Ach, Sie sind’s«, sagte er, wobei man ihm den Stimmbruch anhörte.
    »Jason, Liebes?«, rief jemand von oben. Eine Stimme, die zu jung war, um seiner Großmutter zu gehören.
    Jason verdrehte die Augen. Er war jetzt dreizehn und wesentlich größer.
    Auf einmal traf er eine plötzliche Entscheidung, zog rasch die Tür hinter sich zu und sagte zu mir: »Fahren wir los.«
    »Wohin denn?«, fragte ich verblüfft.
    »Fahren Sie einfach!«, drängte er mit einer Stimme, die halb Mann, halb Junge war. Er verließ die Veranda. »Ist das Ihr Jeep?«
    »Ich benutze ihn, aber –«
    Er blieb unvermittelt stehen, als er Jack auf dem Fahrersitz sah. »Wer ist das?«
    »Ein Freund von mir.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    »Sieht ziemlich alt aus, aber cool«, meinte er und ging weiter auf den Jeep zu.
    »Das ist alles relativ«, erwiderte ich. »Das mit dem Alter, meine ich. Hör mal, Jason –«
    »Jason!«, kreischte jemand aus einem Fenster im ersten Stock.
    »Ach du Scheiße!«, sagte er, warf einen Blick zum Haus zurück und rannte dann auf den Jeep zu.
    »Wer ist das?«, fragte ich, während ich versuchte, mit ihm Schritt zu halten.
    »Jason!«, kreischte die Stimme erneut.
    Er riss die rechte hintere Tür auf und stieg in den Jeep. »Hey, Typ!«, sagte er zu Jack. »Bringen Sie mich weg von hier!«
    »Dreh den Schlüssel gar nicht erst um, Jack«, protestierte ich. »Wir fahren nirgends hin, bevor er mir sagt, wer diese Mänade ist.«
    »Was ist eine Mänade?«
    »Das erkläre ich dir, sobald du mir sagst, wer die Person ist, die gerade aus der Haustür kommt«, sagte ich und zeigte auf eine schick gekleidete, dünne blonde Frau Mitte Fünfzig, deren unübersehbare Bemühungen, die Uhr zurückzudrehen, rein gar nichts gefruchtet hatten.
    »Das«, antwortete Jason grimmig, »ist Mrs. Sayre.«
     

45
     
    DONNERSTAG NACHMITTAG, 14. SEPTEMBER
    Las Piernas
     
    »Jason, willst du deinen Vater ins Grab bringen?«, rief die neue Mrs. Sayre.
    Jasons Rücken wurde steif.
    Ohne dies zu bemerken, fuhr sie fort. »Weißt du, was er sagen würde, wenn er wüsste, dass du zu Wildfremden in einen Jeep steigst?« Sie hielt etwas Abstand zu uns und beäugte missbilligend Jacks vernarbtes Gesicht, seine Lederkluft, den Ohrring und die Tätowierungen.
    »Das sind keine Fremden«, protestierte Jason. »Das ist Irene Kelly von der Zeitung.«
    »Und was hat er dazu gesagt, mit Reportern zu reden?«, fragte sie. »Steig auf der Stelle aus diesem Jeep! Wenn dein Daddy nach Hause kommt, versohlt er dir deinen frechen, kleinen Hintern!«
    Er fasste an seine Gesäßtasche, nicht um sich zu schützen, sondern um einen flachen schwarzen Gegenstand herauszuziehen. Er drehte das Handgelenk, und da sah ich, dass es ein Handy war. Ein dreizehnjähriger Junge mit einem Handy – aber in dem noblen Viertel, wo die Sayres wohnten, hatte vermutlich jedes Kind eines, sobald es alt genug war, um eine Tastatur zu entziffern.
    »Mal sehen, was mein Dad sagt«, erklärte Jason und drückte eine Taste.
    »Ja, allerdings!«, sagte seine Stiefmutter, die sich ihrer Sache sicher war.
    »Hallo, hier ist Jason«, sagte er in das Telefon. »Kann ich bitte meinen Dad sprechen?«
    »Bessere Manieren, wenn du mit seiner Sekretärin sprichst, wie ich sehe«, beklagte sich Mrs. Sayre.
    »Du musst es ja wissen«, höhnte er, was sie rot anlaufen ließ. In freundlicherem Ton sagte er in das Telefon: »Hallo, Dad, hier ist Jason. Ms. Kelly ist vorbeigekommen, um mit mir zu sprechen, und Du-weißt-schon-wer macht Probleme.«
    Er sah zu mir herüber, während er lauschte, zuerst mit beklommener Miene, doch dann lächelte er. Er hielt das Telefon seiner Stiefmutter hin, die es ihm aus der Hand riss.
    »Giles, wenn du meine Autorität bei dem Jungen ständig unterminierst –« Sie verstummte und musterte mich. »Und wie hätte ich das bitte riechen sollen? Ich sehe zwei Fremde, die deinen Sohn in ein Auto locken und von denen einer wie ein Hell’s Angel aussieht –«
    Sie lauschte erneut, und ihre Miene wurde finster. Sie hielt sich das Telefon vom Ohr weg, während Giles weiter redete, und drückte die Aus-Taste. Dann klappte sie das Handy zu und warf es reichlich achtlos Jason zu, der es gerade noch auffangen konnte.
    »Mrs. Sayre –«, sagte ich, und der Name klang mir seltsam in den Ohren, doch sie hatte bereits auf dem Absatz kehrtgemacht und ging wieder auf die Veranda zu.
    An der Tür wandte sie sich um und rief: »Falls Sie ihn entführen wollen, können

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