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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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stand. Der Hund hatte bei Parrishs Eintreffen weder geknurrt noch gebellt, aber ich konnte sehen, was David veranlasst hatte, ihn zur Gelassenheit zu mahnen – Bingle stand stocksteif da.
    »Ich passe auf Bingle auf«, sagte ich.
    Parrish lachte. »Lassen Sie lieber ihn auf sich aufpassen.«
    »Jetzt reicht’s mit Ihren Kommentaren«, erklärte Earl und zog Parrish von der Gruppe weg.
    »Ve con ella«, sagte David zu Bingle und gab mir einen Tennisball. Während er sprach, machte er eine Handbewegung, die Bingle offenbar sagte, dass er seine ganze Aufmerksamkeit mir widmen sollte. Bingle starrte den Ball mit der Art intensiver Konzentration an, die vielleicht ein Mensch mit magischen Kräften benutzt hätte, um eine Gabel zu verbiegen. Wir spielten ein Weilchen, dann setzten wir uns gemeinsam hin und sahen zu, wie Flash die Stelle fotografierte und auf Video aufzeichnete, wie Thompson mit Parrish sprach und David, Andy und Ben sich über Landkarten beugten und den Boden musterten, um einen äußeren Umkreis abzustecken, der ein Stück weit über das lockere Erdreich hinausging.
    Unser Fleckchen war, wie David gesagt hatte, der beste Platz im ganzen Haus. Wir waren nur wenige Meter von der Stelle entfernt, saßen im Schatten, und der Wind hatte sich gedreht und wehte in unsere Richtung – Schatten und Wind waren erholsam für Bingle, der leise hechelnd dalag und zufrieden die Augen geschlossen hatte.
    Ben beugte sich über einen Matchsack und verteilte Gummihandschuhe. Als Nächstes holte er ein Bündel Metallstäbe hervor, alle etwa einen guten Zentimeter dick und an einem Ende im rechten Winkel zu einem Griff abgeknickt. Indem sie aus verschiedenen Richtungen begannen, suchte sich jeder Mann eine Stelle aus, lehnte sich auf seine Sonde – die nicht weit ins Erdreich ging –, zog sie wieder heraus und bewegte sich ein Stück näher auf den Punkt zu, wo Bingle Alarm gegeben hatte. Dies setzte sich so lange fort, bis Bens Sonde locker in die Erde sank. »Hier«, sagte er. Als er sie wieder herauszog, hob Bingle den Kopf, stellte sich mit nach vorn gespitzten Ohren auf die Beine und begann auf Ben zuzustreben.
    »Sitz«, befahl ich. Er ignorierte mich, doch David hatte mich gehört und fauchte den Befehl erneut – diesmal auf Spanisch. Bingle gehorchte, protestierte jedoch mit scharfem Gebell.
    »Er riecht es«, sagte David. Dann rümpfte er die Nase und sagte: »Ich auch.«
    David ging zurück zu dem Matchsack und nahm ein kleines Glas heraus. Er steckte einen Finger hinein und rieb sich die Substanz direkt unter die Nase, bis es aussah wie ein kleiner, glänzender Schnurrbart. Er reichte das Glas an Andy weiter, der sich ebenfalls bediente. Ben bot er es nicht an.
    Ben steckte ein kleines Merkzeichen – ein schmales, gelbes Fähnchen an einem Draht – neben die Stelle, wo er hineingebohrt hatte. So fuhren sie fort, bis sie noch ein paar weitere Stellen markiert hatten. Die gelben Fähnchen bildeten eine Art Oval, das etwa einen Meter achtzig lang war.
    Bingle war aufgeregt. Er zappelte herum, befolgte aber Davids Anordnung, sich nicht vom Fleck zu rühren. Immer wieder nahm ich einen Hauch dessen wahr, was ihn so aus der Ruhe brachte – ein unverwechselbarer Geruch, süß und beißend zugleich, ein Geruch, dessen Bedeutung man auf der Stelle kennt, selbst wenn man ihn nie zuvor gerochen hat. Vielleicht stößt uns eine Urerinnerung von diesem Geruch ab und sagt uns, dass es der Geruch von Tod und Verwesung ist.
    »Ich zeige Ihnen, was wir machen«, sagte David und kam herüber, um Bingle zu beruhigen.
    Während er näher kam, sagte ich: »Wick VapoRub.«
    Er bewegte die Hand nach oben und hielt kurz vor seiner Oberlippe inne. »Eine Duftmischung aus Menthol und Kampfer, die ganz ähnlich riecht, ja. Ich benutze sie, um den Verwesungsgeruch zu überdecken. Brauchen Sie etwas davon?«
    »Noch nicht.«
    »Warten Sie nicht zu lang«, riet er. »Wenn Sie den Geruch erst mal in der Nase haben …« Er hielt inne und sagte dann noch einmal: »Warten Sie nicht zu lang.«
    Er begann mir die Lagepläne zu zeigen, die sie zeichneten und auf denen die umliegenden Gipfel als Triangulationspunkte benutzt wurden, um die Position des Baumes zu kennzeichnen. Man konnte auch die Rasterlinien erkennen, über denen die Lage des Grabes, die äußere Umrisslinie und eine Felsengruppe eingezeichnet waren.
    »Wenn wir über irgendetwas hiervon vor Gericht aussagen müssen, haben wir genaue Aufzeichnungen darüber, wo wir

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